zum Hauptinhalt

Brandenburg: Kleine Korrekturen: "Wir operieren alle Nase lang"

Der Fischerweg ist ein unbefestigter, schlammiger Pfad, der von Gartenzäunen und Mauern gesäumt wird. Die Summter haben sich verbarrikadiert, und wer sich trotzdem auf den Weg verirrt, will mit seinem Hund im angrenzenden Wald spazieren gehen.

Der Fischerweg ist ein unbefestigter, schlammiger Pfad, der von Gartenzäunen und Mauern gesäumt wird. Die Summter haben sich verbarrikadiert, und wer sich trotzdem auf den Weg verirrt, will mit seinem Hund im angrenzenden Wald spazieren gehen. Hunde scheinen die Summter zu mögen, denn an jedem zweiten Gartenzaun pappt ein Doggenkopf auf gelbem Grund. "Hier wache ich!" Es ist vollkommen still. Nur der Berliner Ring rauscht an der Abfahrt Mühenbeck vorbei. Das Keuchen des alten Mannes auf dem Fahrrad ist schon von weitem zu hören. "Die Klinik? Fünf Minuten Fußmarsch." Es sind zwanzig.

Dr. Karen Petrich hat blinzelnde braune Augen hinter einen kleinen Brille. Auf dem Schoß hält sie eine Kiste aus Styropor. Darin sind Brustimplantate, die aussehen wie fliegende Untertassen, aber die Konsistenz von Quallen haben. Implantate mit Kochsalzlösung, erklärt Petrich, werden vor allem für US-amerikanische Brüste benutzt.

In der "Klinik für plastische Chirurgie Dr. Grabosch" schwört man auf Silikon. Die Implantate liegen fester in der Hand, sind tropfenförmig, quer vernetzt und wirken, einmal eingepflanzt, natürlicher.

Wir sitzen in einem der großzügigen Patienten-Zimmer. Der Wald beginnt direkt hinter dem Fenster. Zur Zeit werden ausschließlich die Zimmer zur Waldseite benutzt, damit niemand auf die Baustelle an der anderen Seite sehen muss: Dort entstehen ein "Clinitel", eine Klinik für Naturheilkunde mit dem Schwerpunkt Traditionelle Chinesische Medizin sowie ein Wellness-Bereich mit Schwimmbad und Fitness-Möglichkeiten. Seit Anfang September kann man sich jetzt auch in der Mark Brandenburg die Nase richten lassen - und zwar von ausgebildeten Fachärzten. Die erste Beratung ist kostenlos.

In Mexiko-Stadt lebte ein Schönheits-Chirurg, der einem Patienten auf dessen Wunsch sein Gesicht so verschob, dass ihn kein Mensch wiedererkannte. Der Patient nahm nach geglückter OP eine Handfeuerwaffe und erschoss den Arzt. Dr. Alfons Grabosch erzählt die Geschichte und lacht dazu ein rheinisches Lachen. "Der Kollege hatte eben Pech."

Grabosch operiert nur, wenn er davon überzeugt ist, dass eine Korrektur Sinn macht. Die Patienten stünden meist unter einem enormen Leidensdruck. "Hier in Summt können die Patienten mit dem Nasenverband im Wald spazieren gehen. Sie müssen nicht über die Friedrichstraße und fürchten, ihrer Nachbarin zu begegnen", erklärt Grabosch die einsame Lage des Fachwerk-Anwesens. Am Gendarmenmarkt gibt es eine Filiale der Klinik, in der auch Beratungsgespräche durchgeführt werden. Draußen spaziert Karlheinz über den Hof. Karl-Heinz ist die schwarz-weiße Katze, die den Schwestern zugelaufen ist. Karen Petrich lehnt sich zurück. "Wir operieren alle Nase lang", sagt sie - seit der Eröffnung knapp fünfzig Mal.

Zwei Männer laufen durch den Flur, an den die Patienten-Zimmer grenzen, offenbar Vater und Sohn. Der Ältere hält einen großen Blumenstrauß in der Hand. Man begrüßt sich wie alte Bekannte, bevor die beiden in einem Zimmer verschwinden. Petrich und Grabosch führen die Klinik gemeinsam. Einmal die Woche operieren sie außer Haus - im Jüdischen Krankenhaus.

Die Ärzte wohnen nur zehn und fünfzehn Minuten entfernt, so dass sie nachts im Falle einer Komplikation schnell zur Stelle sein können, dort, wo laut Petrich "moderne Märchen" passieren. "Die Stewardess war schlank wie eine Tanne", sagt Grabosch und grinst. "Aber nach unter hin hatte sie extrem dicke Schenkel." Die Stewardess war kreuzunglücklich, wollte nicht mehr fliegen und sei lebensmüde gewesen. Nach der Fettabsaugung habe sie ihr Leben umgekrempelt.

Das Ärzteteam, das mehrmals im Jahr internationale Kongresse besucht und gerade an einer Studie über Implantate arbeitet, führt ausschließlich Eingriffe an der Körperoberfläche durch. "Das ist anders, als jemandem den Darmkrebs herauszuschneiden, besser", erklärt Grabosch, und seine Kollegin ergänzt: "Wir zerstören nichts." Auch Summter haben Zutritt zum Wellness-Bereich, der nächstes Jahr eröffnet wird. Sie können sich die Gesichter liften, Falten mit Eigenfett unterspritzen oder die Bauchdecke straffen lassen. Alles qualitativ hochwertig und gar nicht so teuer. Oder sie können in der Klinik arbeiten. Dr. Petrich und Dr. Grabosch haben am Summter See 42 Arbeitsplätze geschaffen.

Im provisorischen Büro der Klinik steht ein weißes Objekt in der Ecke, es hat ein ausdrucksloses, blasses Gesicht und ist ansonsten kugelrund - eine Plastik des mexikanischen Künstlers Bazon Brock, von dem auch der Klinik-Leitsatz stammt: "Vollkommene Schönheit ist die hundertprozentige Übereinstimmung von Inhalt und Form." "Das ist unser Maskottchen", sagt Petrich, "wir nennen es nur Keramik."

Esther Koogelboom

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false