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KOMMENTAR: Untreue mit System

In Deutschland ist dieser Vorgang ohne Beispiel. Der Bundesgerichtshof hat als höchstes deutsches Gericht entschieden, dass das Land Brandenburg sich Grundstücke zu Unrecht angeeignet hat. Und zwar mit Willkürmethoden. die "eines Rechtsstaates unwürdig sind".

Die Methoden erinnern „nachhaltig an die Verwalterpraxis der DDR“. Auch damals wurde bekanntlich Recht gebeugt, wenn der Staat einfach Immobilien in seinen Besitz, in „Volkseigentum“, bringen wollte. Geschah dies im von Manfred Stolpe regierten Brandenburg nur infolge einer „wirren Rechtslage“ nach 1990, wie Finanzminister Rainer Speer (SPD) jetzt glauben machen will? Also alles nur eine Verwaltungspanne, nach der man zur Tagesordnung übergeht, auf Ansprüche verzichtet, ein paar Immobilien zurückgibt?

Nein, die Sache ist ein Skandal. Und es fällt auf, mit welcher Eile das Finanzministerium jetzt tätig wird, um den Schaden zu begrenzen. Wie ein ertappter Ladendieb, der die Ware ganz schnell wieder ins Regal stellt. Man muss wissen: Das Land hatte sich in den Jahren 1999/2000 – kurz nach dem Ende der SPD-Alleinherrschaft, die CDU regierte mit – im Eiltempo und rechtzeitig vor dem Ablauf der Verjährungsfrist als Eigentümer (bis dato) herrenloser ehemaliger Bodenreformgrundstücke in die Grundbücher eintragen lassen. Nicht einmal, nicht zehnmal – zehntausendmal. Weil, wie praktisch, kein Erbe bekannt war. Die Landratsämter wurden einfach angewiesen, dies zu exekutieren – was sonst Gerichte entscheiden. Als später plötzlich doch Erben auftauchten, mussten diese sich ihre Ansprüche gegen einen Gegner erstreiten, der kaum mächtiger hätte sein können. Und das Land ging auch noch in Revision beim BGH, als es beim Brandenburger Oberlandesgericht bereits unterlegen war.

Dass dies möglich war, berührt die Fundamente des Gemeinwesens im Land Brandenburg. Es handelt sich um eine Systemstörung, es geht um das Versagen von Institutionen, von Gewalten. Wo war das Justizministerium? Wo war das Parlament? Wo waren rechtskundige Beamte?

Offenbar wissen nicht nur die brandenburgischen Schüler zu wenig über das untergegangene Honecker-Reich, über die Unterschiede zwischen Demokratie und Unrecht. Die Folgen des Urteils, das zur Pflichtlektüre für jeden Politiker, für jeden Landesbediensteten werden müsste, sind noch gar nicht absehbar. Man darf davon ausgehen, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnehmen wird. Zu deutlich sind die Hinweise des BGH, dass das Land seine Treuhänderpflichten verletzt, seine Stellung zum eigenen Vorteil missbraucht hat. Der Vorwurf steht im Raum, dass sich das Land Brandenburg in großem Maßstab der Untreue zulasten Dritter schuldig gemacht hat. Es muss rückhaltlos aufgeklärt werden, wer was wann entschieden hat. Es geht um den Verdacht der Staatskriminalität.

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