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Mauergedenken: Stelen in der Stille

In Hohen Neuendorf wird der Maueropfer gedacht – aber viel zu wenig, kritisieren CDU und Grüne.

Von Matthias Matern

Den Wunsch nach Freiheit hat Marienetta Jirkowsky mit ihrem Leben bezahlt. Auf der Flucht nach West-Berlin wurde die damals 18-Jährige am 22. November 1980 erschossen. Mit ihrem Verlobten und einem Freund hatte die junge Frau in den frühen Morgenstunden bei Hohen Neuendorf (Oberhavel) versucht, die Grenze zum Berliner Stadtteil Frohnau zu überwinden. Während den beiden Männern die Flucht gelang, wurde Marienetta Jirkowsky von mehreren Schüssen getroffen und starb wenig später im Krankenhaus.

Heute erinnern am Ort des Geschehens vier Stelen an ihren Tod, bezahlt und aufgestellt vom Land Berlin. 20 Jahre nach dem Fall der Mauer ist es so ziemlich der einzige Ort, in dem in der ehemaligen Grenzgemeinde Hohen Neuendorf der Teilung gedacht wird. „Das ist viel zu wenig“, kritisiert Matthias Rink, CDU-Fraktionsvorsitzender in der Stadtverordnetenversammlung. Vor allem die jungen Leute im Ort hätten häufig kaum eine Vorstellung vom damaligen Leben mit der Mauer. Auch Marita Klempnow von den Hohen Neuendorfer Grünen beklagt die Erinnerungskultur in ihrem Ort. „Die Geschichte der Teilung ist in Hohen Neuendorf nicht angemessen vertreten.“ Es gebe weder Hinweistafeln noch Broschüren. Auch die Stelen zum gescheiterten Fluchtversuch von Marienetta Jirkowsky seien für Ortsunkundige kaum zu finden. „Das ist nicht angemessen.“

Ihre Kritik richtet sich dabei auch gegen den Hohen Neuendorfer Bürgermeister Klaus-Dieter Hartung (Linke). „Bereits im Mai des vergangenen Jahres hatte meine Fraktion einen Antrag eingereicht, der die Stadtverwaltung aufforderte, bis zum Jahresende ein Gesamtkonzept zum Thema ,20 Jahre Mauerfall‘ zu erarbeiten“, berichtet Rink. Der Antrag sei mit großer Mehrheit angenommen worden, erinnert sich auch Marita Klempnow. Auf ein entsprechendes Konzept warten die Stadtverordneten nach eigenen Angaben noch immer.

Bürgermeister Hartung indes fühlt sich zu Unrecht in der Kritik. Eine Veranstaltung für den 9. November sei bereits in Vorbereitung. Zudem werde von August bis Oktober im Rathaus eine Ausstellung zu „20 Jahre Mauerfall“ gezeigt. „Selbstverständlich lege ich am 13. August, zum Tag des Mauerbaus, wieder einen Kranz nieder“, versichert der Verwaltungschef. Der Aufforderung seinerseits an die Fraktionen, eigene weitere Vorschläge einzubringen, sei besonders die CDU bisher gar nicht gefolgt. Dass der Geschichte im Ort bislang nicht genügend Rechnung getragen werde, finde er allerdings auch.

Ein solches Konzept zu erstellen, sei doch vorrangig Aufgabe der Stadtverwaltung, meinen Klempnow und Rink. Weniger politisch motivierten Boykott, sondern viel mehr „Fantasielosigkeit“ wirft der CDU-Politiker seinem Verwaltungschef vor. Erwartet hätte er beispielsweise Kooperationen mit Geschichtsvereinen, Zeitzeugengespräche an den Schulen und Arbeitskreise zum Thema Mauerfall. „Ein Gesamtkonzept ist das bisher nicht“, sagt Marita Klempnow. Immerhin habe das Jubiläumsjahr bereits begonnen.

In einem weiteren Antrag fordert die CDU jetzt von der Stadtverwaltung, sie möge prüfen, ob das verwaiste Grundstück, auf dem die Jirkowsky-Stelen stehen, gekauft werden kann, um dort eine größere Gedenkstätte zu errichten, wenn möglich Originalmauerteile aufzustellen. Einen ähnlichen Antrag habe nur zwei Tage zuvor auch die Linke gestellt, betont Bürgermeister Hartung. „Ich halte das für eine gute Idee.“ Ob sich ein solches Vorhaben aber noch in diesem Jahr umsetzen lasse, sei schwer zu sagen. Es wäre natürlich wünschenswert, so Hartung. Zwangsläufig an das Jubiläumsjahr des Mauerfalls gebunden fühle er sich aber nicht. „Hauptsache man macht es.“

Auch bei der Fraktion der Linken gibt man sich gelassen. Zuerst müssten jetzt einmal die verschiedenen Vorschläge aus den Fraktionen für das Gesamtkonzept beraten werden, meint Manfred Tittelbach, Stadtverordneter der Linken. „Es ist ja noch nichts angebrannt.“

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