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Brandenburg: Mehr Provinz

ClausDieter Steyer über den erstaunlichen Sinneswandel am Lausitzring ANGEMARKT Einige Wochen vor der Eröffnung des Lausitzrings vor fast drei Jahren gaben sich die entscheidenden Herren weltmännisch. Weg mit dem Provinzialismus, mit der Enge und dem beschränkten Horizont riefen sie und verkündeten in einer aufwendigen Show im Berliner Adlon den Namenswechsel: Aus dem Lausitzring wurde der Eurospeedway Berlin-Brandenburg.

ClausDieter Steyer über den erstaunlichen Sinneswandel am Lausitzring

ANGEMARKT

Einige Wochen vor der Eröffnung des Lausitzrings vor fast drei Jahren gaben sich die entscheidenden Herren weltmännisch. Weg mit dem Provinzialismus, mit der Enge und dem beschränkten Horizont riefen sie und verkündeten in einer aufwendigen Show im Berliner Adlon den Namenswechsel: Aus dem Lausitzring wurde der Eurospeedway Berlin-Brandenburg. Nur so seien in- und ausländische Geldgeber zu begeistern und möglichst rasch die Formel 1 in den Osten zu holen, behaupteten die fast durchweg aus dem Westen stammenden Männer der Vorstandsetage. Doch auf die Euphorie folgte der Absturz. Die Besitzgesellschaft der hauptsächlich mit Steuermitteln hochgezogenen Rennstrecke machte Pleite und sucht bis heute verzweifelt nach einem Käufer. Nur ein 2-Millionen-Euro-Kredit der Landesregierung rettete die diesjährige Saison auf der zweifellos modernsten Rennpiste Europas.

Nicht nur deshalb ist Bescheidenheit in die Geschäftsführung eingezogen. Beobachter stellen zu Recht einen kompletten Sinneswandel fest. Denn wer hätte schon gedacht, dass ausgerechnet vor dem großen amerikanischen Champ-Car-Rennen am kommenden Wochenende der einst so verschmähte „regionale Kleingeist“ um sich greift? Anders ist die Aktion mit den Bürgermeistern der Umgebung kaum zu werten. Ein Ort übernimmt jeweils die Patenschaft für einen Rennfahrer und kann einige Einwohner zum Mittagessen ins Fahrerlager entsenden.

Die Starter des nach eigenem Werbespruch „schnellsten Autorennens der Welt“ werden sich vielleicht etwas erstaunt die Augen reiben. Denn von Schipkau, Schwarzheide, Großräschen, Lauchhammer oder Senftenberg dürften die Piloten aus den USA, Brasilien, Großbritannien, Frankreich, Schweden oder Portugal noch nie etwas gehört haben. Nun sitzen sie mit Menschen aus diesen Orten an einem Tisch, und der Name der Kleinstädte prangt auf ihren Startnummern und über ihren Boxen am Ring.

Der Hintergrund der vor gar nicht langer Zeit undenkbaren Aktion liegt auf der Hand: Der Ring braucht die Unterstützung durch die Region, nicht nur der Zuschauer wegen. Es gibt schließlich in der Champ-Car-Serie keinen deutschen Starter, dem das Publikum zujubeln könnte. Alle Einwohner der Anrainergemeinden erhalten deshalb verbilligte Tickets. Doch viel bedeutender ist die Akzeptanz der Rennpiste in der Region für den Verkauf der Anlage. Niemand engagiert sich schließlich für ein Projekt, das in der Nachbarschaft auf Ablehnung oder gar Widerstand trifft.

Da hat die Geschäftsführung in der Vergangenheit viel Porzellan zerschlagen. Den Namen änderte sie nur nach lautstarkem Protest der Anwohner und der Landesregierung in „Eurospeedway Lausitz“, obwohl jedermann nach wie vor nur vom „Lausitzring“ spricht. Das Verhältnis zur örtlichen Hotellerie und Gastronomie war lange gespannt, weil viele Misstöne die Atmosphäre vergifteten und der Champ-Car-Tross fast komplett in Dresden übernachtete. Die Klagen über Probleme bei der An- und Abreise der Zuschauer wurden anfangs überhaupt nicht zur Kenntnis genommen.

Nun scheinen sich Region und Rennstrecken-Leitung tatsächlich zu bewegen: aufeinander zu. Nicht immer muss Provinzialismus also schaden. Das Champ-Car-Rennen wird es ab Freitag zeigen.

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