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Brandenburg: Mission Dorfkirche

Fünf Freundinnen koordinieren das jährliche Kulturfestival in Brandenburger Gotteshäusern – und helfen so, sie zu bewahren

Berlin - 1400 soll es von ihnen geben, oftmals sind sie die letzten Zeugen der Ortsgeschichte. Und um etliche ist es nicht gut bestellt – die Dorfkirchen in Brandenburg. „Jede wäre es wert, über sie zu berichten“, sagt Kara Huber, die Ehefrau von Landesbischof Wolfgang Huber. Sie ist eine von drei Frauen, die nach der Wende losgezogen sind, um sich anzuschauen, was an alten Kirchen die Zeit hinter der Mauer überstanden hat. Mittlerweile sind es fünf Frauen, die jedes Jahr den Brandenburger „Dorfkirchensommer“ koordinieren. Von Mai bis Oktober zieht das Festival tausende Besucher an.

„Angefangen haben wir vor zwölf Jahren mit 80 Veranstaltungen“, sagt Antje Leschonski, eine der Freundinnen. Mittlerweile sind es jährlich 300 Lesungen, Festgottesdienste, Ausstellungen, Benefizkonzerte, Rad- und Bustouren. Wobei sich das Damenteam nicht als Konzertagentur versteht. Die Termine für die sommerlichen Events machen die jeweiligen Gemeinden selbst. Doch wenn ein Pastor nach einem Musiker sucht oder ein Künstler in einer Kirche ausstellen will, stehen Huber und ihre Freundinnen zur Vermittlung bereit. Das Ergebnis ist ein Programmheft, das mit einer Auflage von 12 000 Stück in Berlin und Brandenburg verteilt wird. „Das Programm dient als Forum für die Kirchen und ihr vielfältiges Angebot“, sagt Antje Leschonski. Die Besucher sollen auf die kulturellen Schätze Brandenburgs aufmerksam gemacht werden. Und sie sollen Geld geben, damit die oftmals maroden Kirchen in armen Gemeinden bewahrt werden können.

Genug traurige Beispiele haben die Frauen allemal kennengelernt. Kara Huber berichtet über Kirchen, die es an allen Ecken bitter nötig haben. „Der Schwamm drückt vom Keller, der Holzbock vom Dach und von den Wänden bröckelt der Putz.“ Die Ansprüche von Kirchgängern seien hingegen oft hoch. Da müsse alles sauber sein, die Orgel erklingen und Blumen in geputzten Fenstern stehen. Manch mittelalterlicher Bau habe aber nicht mal eine Toilette, sagt Huber.

Eine genaue Erhebung über den Zustand märkischer Gotteshäuser gibt es nicht. Nach einer Schätzung des Förderkreises Alte Kirchen Berlin-Brandenburg sind noch 100 bis 150 Kirchen in ländlichen Gebieten im Bestand gefährdet. „Wenn in den kommenden Jahren nichts passiert, sind sie verloren“, sagt Bernd Janowski, Geschäftführer des Vereins.

Für Klara Huber stehen deshalb auch die Menschen im Focus, die sich ehrenamtlich um die alten Bauwerke kümmern. „Schlüsselbewahrer“ nennt sie diese Menschen. „Das können ehemalige Mitarbeiter aus der Landwirtschaft sein, die sich rührig um das Umfeld kümmern“, sagt Kara Huber. Oder Menschen mit ein wenig handwerklichem Geschick, die helfen, wenn die Tür klemmt oder das Schloss wieder gängig gemacht werden muss. In jedem Fall seien Leute vonnöten, die organisieren können und Ideen haben. „Management ist wichtig“, sagt Kara Huber – ob es um den Verkauf von Kalendern zum Spendensammeln gehe oder um Anträge auf Fördermittel.

Dass nicht jede Kirche das Glück hat, dass jemand sie instand hält, weiß Kara Huber nur allzu gut. Der Zustand einer Kirche sei oft abhängig von der Entfernung zu Berlin und der Erreichbarkeit. Und genauso verhalte es sich auch bei dem Sommer-Festival. „Wir haben an vielen Orten volles Haus“, doch zu abgelegeneren Orten komme auch der kulturinteressierte Berliner nur selten, sagt Antje Leschonski. Deswegen sei es auch schwer, die Künstler dorthin zu locken.

Aber bekannt machen kann man die oft kulturhistorisch wertvollen Gebäude ja auch mit Büchern. Mehrere Bände haben die Frauen bereits über die Kirchen rund um Berlin herausgegeben. Am heutigen Sonnabend wird ein Bildband vorgestellt, in dem Kara Huber 22 Renaissance-, Barock- oder Jugendstilbauten versammelt hat, über die – und ihre Schlüsselbewahrer – prominente Autoren jeweils einen Beitrag geschrieben haben. So widmete sich zum Beispiel Gesine Schwan, die Präsidentin der Europauniversität Frankfurt (Oder) Dobberzin in der Uckermark, Richard von Weizsäcker Langengrassau (Dahme-Spreewald), und Manfred Stolpe schrieb über Zernikow (Oberhavel).

Das Buch „Brandenburgische Dorfkirchen und ihre Hüter“ erscheint im Prestel-Verlag und hat 192 Seiten mit 115 Farbabbildungen. Es kostet 29,95 Euro. Das kostenlose Programmheft des Dorfkirchensommers kann bei der Evangelischen Kirche unter Tel. 030-2434 4121 angefordert werden. Einsehbar ist es auch im Internet unter www.dorfkirchensommer.ekbo.de

Andreas Wilhelm

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