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Brandenburg: Mit Schwindel erregendem Tempo

Frank Jansen über die Aufklärung des VMann Skandals ANGEMARKT Brandenburg erlebte vergangene Woche ein Tempowunder. Prominente Vertreter von Christ- und Sozialdemokratie demonstrierten Rasanz.

Frank Jansen über die Aufklärung des VMann Skandals

ANGEMARKT

Brandenburg erlebte vergangene Woche ein Tempowunder. Prominente Vertreter von Christ- und Sozialdemokratie demonstrierten Rasanz. Am vorletzten Samstag wird die neue V-Mann-Affäre bekannt, Sonntag einigt sich die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) auf eine Sondersitzung, Montag deutet Innenminister Jörg Schönbohm Konsequenzen für Verfassungsschutz-Chef Heiner Wegesin an. Der PKK-Vorsitzende Christoph Schulze (SPD) sagt, er sei „erschüttert“. Dienstag tritt die PKK zu einer Sondersitzung zusammen. Dort gibt Wegesin zu, die Parlamentarier wurden mehr als zwei Jahre nicht über den von einem V-Mann begangenen Verrat einer Razzia unterrichtet. Wegesin entschuldigt sich. Viele Fragen bleiben offen. Ob ein Beamter des Verfassungsschutzes dem V-Mann die Information gesteckt hat. Die Staatsanwaltschaft vermutet jedenfalls Verrat von Dienstgeheimnissen und bereitet sich auf langwierige Ermittlungen vor. Doch das politische Tempo nimmt noch zu.

Dienstagnachmittag verkündet Christoph Schulze: Es gibt gar keinen V-Mann-Skandal. Es ist verzeihlich, dass der Verfassungsschutz die Parlamentarier im Unklaren ließ. Schulze ist nicht mehr erschüttert, sondern erleichtert. Wow! Mit quietschenden Reifen gestartet, qualmend gewendet und Vollgas zurück. Selbst Schönbohm kommt nur mühsam mit. Erst einen Tag später gibt er bekannt, alle Vorwürfe gegen den Verfassungsschutz seien wie eine Seifenblase zerplatzt. Manchmal wird gesagt, Geschwindigkeitsrausch reduziere die Wahrnehmungsfähigkeit. Erste Indizien sind vielleicht bei Schulze und Schönbohm zu erkennen. Schulze behauptet, niemand vertuschte den Verrat der Razzia. Die Bundesanwaltschaft sei zu jedem Zeitpunkt informiert gewesen. Dass sich die Bundesanwaltschaft erst vor drei Wochen bei der Potsdamer Staatsanwaltschaft meldete und diese dann umgehend Ermittlungen wegen möglichen Geheimnisverrats einleitete, irritiert Schulze offenbar nicht. Schönbohm sagt, er wusste bis vor kurzem nichts von Vorwürfen gegen den Verfassungsschutz, nur von polizeiinternen Prüfungen. Dass diese durch den Verrat eines Verfassungsschutz-Spitzels ausgelöst wurden, scheint dem Minister irgendwie entgangen zu sein. Es ist nicht auszuschließen, dass die Geschwindigkeit jetzt nachlässt. Die Potsdamer Staatsanwaltschaft wartet auf die Ermächtigung des Innenministeriums, in den Sicherheitsbehörden ermitteln zu können. Das Ministerium sagte die Ermächtigung zu. Aber jeder Beamte, den die Staatsanwaltschaft vernehmen will, benötigt wahrscheinlich zu geheimen Vorgängen eine Aussage-Genehmigung. Es könnte also sein, dass hochrangige Mitarbeiter des Verfassungsschutzes oder der Polizei erst mal prüfen müssen, was sie wann und ob überhaupt der Justiz mitteilen dürfen. Wie wird sich das auf die Geschwindigkeit auswirken, mit der die V-Mann-Affäre aufgeklärt wird? Die ja nach Ansicht von Schulze und Schönbohm gar nicht existiert hat?

Das Tempowunder von Potsdam, ist zu vermuten, wird sich in einem Punkt kaum von anderen Mirakeln unterscheiden: In der Regel wiederholen sie sich nicht.

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