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Nach der Wahl: Warum Platzeck Rot-Rot wagen könnte

Egal, wie sich Matthias Platzeck entscheidet: Der Untergang Brandenburgs wäre Rot-Rot nicht. Ein Kommentar von Thorsten Metzner.

Die Stunde der Wahrheit rückt näher. Der Sozialdemokrat Matthias Platzeck muss entscheiden, ob er erneut mit der Union koaliert – oder wie in Berlin auf ein Bündnis mit den Linken setzt. Wer hätte das gedacht: Rot-Rot, worauf vorher niemand gewettet hätte, ist plötzlich wieder möglich. Dabei war es kein Geheimnis, dass Platzeck vor der Wahl die Union favorisierte. Logisch, sein politischer Aufstieg ist maßgeblich von der Auseinandersetzung mit der Ex-SED geprägt, ob in der 89er-Bürgerbewegung, als PDS-Verhinderer im Potsdamer Oberbürgermeisteramt oder im Hartz-IV-Wahlkampf 2004. Was könnte selbst einen „Bürgerlichen“ wie Platzeck am Ende nach links schwenken lassen?

Irrtum, die neue schwarz-gelbe Landkarte im Bund, der Kollaps der Sozialdemokratie sind es nicht. Die Bundesrats-Mehrheiten der Angela Merkel stünden auch bei Rot-Rot in Brandenburg. Und aus der märkischen Provinz, das weiß der einstige SPD-Parteivorsitzende Platzeck, wird die SPD nicht gerettet. Aber Brandenburgs Welt ist seit der Landtagswahl eine andere. Platzeck will eine stabile, tragfähige Regierung für fünf Jahre, „keine Streitkoalition.“ Mit der Union? Selbst wenn unter der CDU-Chefin Johanna Wanka keine Querelen ausbrechen, man die Posten so verteilt, dass niemand aus der Reihe tanzt, dürfte das schwierig werden: Rot-Schwarz hätte eine Mehrheit von fünf Mandaten, hauchdünn für ein Bündnis, das wegen der Haushaltsnotlage unpopuläre Entscheidungen treffen muss und selbst in der SPD unsichere Kantonisten hat. Man darf prophezeien, dass der CDU-Juniorpartner in einer Koalition die Muskeln spielen lassen würde, dies vielleicht sogar müsste. Dort dominiert zudem jetzt, von Wanka abgesehen, eine bissigere Politikergeneration, die sich darin bestätigt sehen mag, dass allein seriöses Regieren wie bisher eben für Wahlerfolge nicht reicht.

Und die große Koalition mit den Linken? Die müssten sich nicht durch Opposition in der Regierung profilieren, sondern erst einmal beweisen, überhaupt regieren zu können. Fast jeder dritte Märker hat die Nachfolger der SED gewählt, die diesmal mit einem klar postulierten Regierungswillen in den Wahlkampf gezogen ist. Trotz der einsamen Popularität von Matthias Platzeck und einer Materialschlacht der SPD, trotz Aufschwung in Stimmung und Lage des Landes hat diese Linke die meisten Direktmandate geholt, ja sogar die Bundestagswahl in der Mark gewonnen.

Das größte Hindernis für Rot-Rot bleibt die Erblast der Vergangenheit. Es wäre für die aus der DDR-Opposition entstandene SPD immer noch eine Identitätsfrage, wenn ein früherer Stasi-IM wie Oppositionsführerin Kerstin Kaiser im Kabinett säße. Aber an Personalfragen würden die Linken eine Koalition nicht scheitern lassen, das hat schon Bodo Ramelow in Thüringen demonstriert. Kaiser könnte auch Fraktionschefin bleiben, einen weniger belasteten Start der Koalition und stabile Mehrheiten sichern.

Es geht, das macht es für Matthias Platzeck leichter, für die Union schwerer, um keine grundlegende Richtungsentscheidung. Die Zeiten sind seit Berlin vorbei. Dafür sind auch die finanziellen Spielräume zu eng, für jede Regierung. Ein sozialeres Herangehen, mehr Sensibilität für Randregionen, kleinere Kita-Gruppen, mehr ist nicht drin. Egal, wie sich Matthias Platzeck entscheidet: Der Untergang Brandenburgs wäre Rot-Rot nicht.

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