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Brandenburg: Neue Chance für die Früherkennung

Röntgenreihenuntersuchungen als Kassenleistung sollen bald allen Frauen zwischen 50 und 69 Jahren die Möglichkeit bieten, Brustkrebs zeitig zu entdecken

Die 51-jährige Monika R. (Name von der Redaktion geändert) kam in die Praxis der Radiologin, weil eine Freundin nicht locker ließ: „Lass doch endlich mal eine Mammografie machen!“ Tatsächlich fand sich in ihrer linken Brust eine verdächtige Stelle. Einen Zentimeter groß. Und damit zwar auf dem Röntgenbild zu erkennen, aber dem Tastsinn nicht zugänglich.

Nun muss eine Gewebeprobe zeigen, ob es sich bei dem Knoten in der Brust um eine Ansammlung bösartiger Zellen handelt, die behandelt werden muss. „Viele Erkrankungen können in einem Stadium aufgehalten werden, in dem sich noch keine Tochtergeschwulste gebildet haben“, sagt die Radiologin Ingrid Schreer, Leiterin des Brustzentrums an der Universitätsklinik in Kiel und engagierte Verfechterin der Brust-Durchleuchtung zur Früherkennung.

Brustkrebs ist die häufigste Krebsform bei Frauen, jährlich wird er in Deutschland bei etwa 46 000 Frauen neu diagnostiziert. Und von den anderen, den nicht betroffenen, kennt fast jede eine Frau, die schon behandelt werden musste oder der Krankheit gar erlegen ist. Das macht Angst. Brustkrebs ist andererseits zu 90 Prozent heilbar, wenn der Tumor kleiner als einen Zentimeter ist. Und Knoten, die so klein sind, dass man sie beim Abtasten der Brust nicht erkennt, können im Röntgenbild sichtbar gemacht werden.

Tatsächlich werden die Knoten heute in den meisten Fällen von den Frauen selber ertastet, und dann sind sie meist deutlich größer. Denn tastbar sind sie erst ab etwa zwei Zentimetern Durchmesser, und dann sind bei 44 Prozent der Frauen schon die Lymphknoten befallen.

Monika R. hat die rund 60 Euro für ihre Mammografie selbst bezahlt. Für die fast zehn Millionen deutschen Frauen der meist gefährdeten Altersgruppe zwischen 50 und 69 Jahren, zu der sie gehört, soll die Früherkennungs-Mammografie aber bald Kassenleistung werden. Damit sollen die Chancen steigen, Veränderungen früher zu entdecken und die Brustkrebs-Sterblichkeit zu senken. Tatsächlich ereignen sich etwa 80 Prozent der Brustkrebserkrankungen nach dem 50. Lebensjahr. Für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren bringt die bevölkerungsweite Fahndung wissenschaftlichen Studien zufolge den größten Nutzen.

Schon im Jahr 2002 hat der Bundestag beschlossen, dass diese Gruppe von Frauen alle zwei Jahre Anspruch auf eine radiologische Untersuchung der Brust haben soll, das so genannte Mammografie-Screening. Vorbild für dieses hart umkämpfte, dann aber parteiübergreifend beschlossene Früherkennungsprogramm sind Länder wie die Niederlande oder Großbritannien.

Man werde das Programm jetzt „im Schweinsgalopp“ realisieren, versprach Jan Sebastian Graebe-Adelssen, neuer Geschäftsführer der Kooperationsgemeinschaft Mammografie aus Köln, Ende Februar bei der ersten offenen Krebskonferenz in Berlin.

In Berlin geht es derzeit mit den Vorbereitungen wegen Kompetenz-Streitigkeiten zwischen Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung aber noch nicht einmal im Trab voran. „Diese Rangeleien bringen unnötige Verzögerungen, denn wir waren im Zeitplan, die Bewerbungen lagen vor, die Ärzte sind eigentlich gut vorbereitet“, bedauert die Berliner Radiologin Lisa Regitz-Jedermann, designierte Leiterin des Referenzzentrums für Berlin und die neuen Bundesländer. Nun werden die Berlinerinnen noch mindestens bis Mitte 2006 auf die ersten Einladungen zum Screening warten müssen.

Der Vorlauf war lang: In den Jahren 2001 und 2002 liefen nach langen Beratungen in Bremen, Weser/Ems und Wiesbaden drei Modellprojekte an, nun müssen Zertifizierungen flächendeckend die Qualität der teilnehmenden radiologischen Zentren sichern. Mit der Qualität steht und fällt der Erfolg des Programms. „Ein schlechtes Screening ist nämlich fast schlimmer als gar kein Screening“, betonte Graebe-Adelssen.

Wo Gesunde untersucht werden, stellt sich die Frage nach der Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Untersuchungen prinzipiell besonders dringlich. Sie sollen schließlich eine kleine Minderheit Betroffener sicher identifizieren. Und das, ohne die große Mehrheit unnötig zu beunruhigen. Von 1000 Frauen erkranken je nach Altersgruppe eine bis zehn pro Jahr neu an Brustkrebs. „Die Kunst besteht darin, diese wenigen Frauen zu finden und gleichzeitig bei den übrigen 990 bis 999 möglichst wenig Fehler zu machen“, schreiben Christian Weymayr und Klaus Koch in ihrem lesenswerten Buch „Mythos Krebsvorsorge“.

Das Screening-Programm, das jetzt in Deutschland greifen soll, sieht eine strenge Qualitätskontrolle und regelmäßige Beurteilung durch zwei Ärzte vor. Wichtig ist auch, dass das weitere Vorgehen die schonende Entnahme von Gewebeproben einschließt. Erst wenn diese den Verdacht bestätigen, darf operiert werden.

Was heute landauf, landab praktiziert wird, wird diesem Anspruch keineswegs immer gerecht. Offiziell ist es auch kein Screening. Denn nur wenn der Frauenarzt „Verdacht auf Brustkrebs“ auf den Überweisungsschein schreibt, zahlt die Kasse die Mammografie. „Verdacht“ ist jedoch ein dehnbarer Begriff, und er wird in der Praxis massenweise attestiert: Zwischen zwei und vier Millionen „graue“ Mammografien sollen jährlich von den Krankenkassen bezahlt werden, schätzen Experten. Dazu kommen Untersuchungen wie die von Monika R., die die Patientinnen aus eigener Tasche bezahlen.

Die schwankende Qualität der Untersuchungen brachte die Mammografie als Früherkennungsmaßnahme zudem insgesamt in Verruf. „In Zukunft kann sich aber jede Frau darauf verlassen, dass sie an jedem Ort, an dem sie zum Screening eingeladen wird, die gleiche standardisierte Qualität erhält“, sagt Lisa Regitz-Jedermann. Bis es so weit ist, sollten Frauen bei der Auswahl der Fachärzte, bei denen sie eine Mammografie machen lassen, nach Ansicht der Radiologin vor allem auf zwei Fragen achten: Sind die Geräte, die dort stehen, nach den EU-Richtlinien überprüft? Werden im Jahr die dort geforderten mindestens 5000 Mammografien gemacht? Zusätzliche Qualitätskriterien sieht sie darin, ob im Zweifelsfall die Begutachtung der Bilder durch zwei Ärzte vorgesehen ist und ob jüngere Frauen vor der Terminvergabe nach ihrer letzten Periode gefragt werden. Denn in der ersten Zyklushälfte ist das Brustgewebe für die Strahlen durchlässiger. „Die Frauen sollten mutig sein und vor der Untersuchung diese kritischen Fragen stellen.“

Adelheid Müller-Lissner

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