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Brandenburg: Rechtsextremismus: Ist Guben eine braune Stadt?

Der Gubener Pfarrer Michael Domke zeigt mit dem Finger auf einen jungen Mann: "Der da", sagt er, "gehört zu denen, die den jüdischen Friedhof mit Hakenkreuzen und Parolen beschmiert haben." Alle Augen im Saal richten sich auf das etwa 25-jährige NPD-Mitglied, das gerade einen "nationalen Jugendclub" für die Neiße-Stadt gefordert hatte.

Der Gubener Pfarrer Michael Domke zeigt mit dem Finger auf einen jungen Mann: "Der da", sagt er, "gehört zu denen, die den jüdischen Friedhof mit Hakenkreuzen und Parolen beschmiert haben." Alle Augen im Saal richten sich auf das etwa 25-jährige NPD-Mitglied, das gerade einen "nationalen Jugendclub" für die Neiße-Stadt gefordert hatte. Einer brüllt: "Du Nazi-Arsch." Guben diskutiert.

Etwa 200 Interessierte sind in das "Politische Café" gekommen, das Moderatorin Lea Rosh für einen Abend in der Stadt eröffnet hat. Sie fragen sich: "Ist Guben wirklich braun oder ist der Fall Omar Ben Noui die Ausnahme?" Die Rechten sind im Volkshaus mitten unter ihnen: Auch der brandenburgische DVU-Landesvorsitzende Axel Hesselbarth zeigt Flagge. Guben ist ein Beispiel für die Hilflosigkeit der Behörden im Kampf gegen eine alteingesessene rechte Szene: Eine Stadt, in der Bürger rund um die Uhr das Mahnmal für den Algerier Omar Ben Noui, den Rechte in den Tod gehetzt haben, bewachen müssen, weil es sieben Mal geschändet worden ist. Eine Stadt, die nicht zur Ruhe kommt. Der Ex-Bundesvorsitzende der "Nationalen" Frank Schwerdt hat für den 8. Mai einen Fackelzug der Rechten angekündigt. Drei Gegendemonstrationen sind geplant.

Schon vor der Wende haben sich die Rechten in der 26 000-Einwohner-Stadt breitgemacht. Am 1. Mai 1997 kam es zwischen Textilarbeitern aus Mosambik und Anhängern der "Heimatfront Guben" zu einer Massenschlägerei. Einer aus dem Publikum sagt: "Das waren nicht nur Rechte, sondern ganz normale Bürger, die das Wohnheim der Schwarzen stürmen wollten." Wohl auch deshalb guckten sich die Nazi-Strategen nach der Wende das Grenzstädtchen neben Schwedt und Frankfurt/Oder in Brandenburg als Zone aus, die sie "national befreien" wollten.

Dirk Wilking, Leiter eines Mobilen Beratungsteams des Landes schätzt, dass es rund um Guben derzeit etwa 120 "gewaltbereite, handlungsorientierten Rechte" gibt. Die Leiterin der Gubener Polizei-Sonderkommission gegen Rechts, Sabine Taubenek, zählt indes nur fünf Gubener Jugendliche zum harten rechten Kern. Die Polizei schreibt Briefe an Eltern einschlägig bekannter Rechter, sucht ihre Treffpunkte auf, um ihnen die "Konsequenzen ihres Tuns aufzuzeigen", wie der Cottbuser Polizeipräsident Jürgen Lüth erklärt. Eine Zehntklässerin mahnt: "In der Schule haben wir bis jetzt noch nichts über den Nationalsozialismus erfahren, obwohl sich viele dafür interessieren." Und Gubens Bürgermeister Gottfried Hain betont: "Die Sozialarbeiter sind nicht die Ausputzer der Nation." Das klingt hilflos.

Die Stadt tut sich schwer mit dem Stigma, das ihr der Fall Ben Noui aufgedrückt hat. Bürgermeister Hain, der Präsident des Cottbuser Landgerichts Joachim Dönitz, der das Ben-Noui-Urteil sprach, und auch Rainer Schaller, Geschäftsführer des größten Arbeitgebers in der Stadt, der Firma Trevira, klagen über das verzerrte Bild, das die Medien gezeichnet hätten. "Guben ist eine völlig normale Sadt in Ost-Deutschland", sagt Dieter Friese, Landrat des Spee-Neiße-Kreises. Sie ernten zustimmendes Gemurmel.

Jürgen Becker

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