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Brandenburg: Schwere Niederlage für Schönbohm

SPD und PDS klar vor der Union. CDU-Chef macht Hartz-Debatte für Verluste verantwortlich. Ministerpräsident Platzeck will mit der PDS und mit dem bisherigen Koalitionspartner verhandeln

Potsdam – Es ist der schwarze Tag des Jörg Schönbohm. Er war vorgewarnt, aber mit diesem desaströsen Ausmaß der Niederlage der CDU hat er nicht gerechnet. Grabesstille herrscht im großen Saal des Inselhotels Hermannswerder vor den Toren der Stadt, wo die CDU ihren Sieg feiern wollte, als die erste Prognose über die Leinwand flimmert. Die Union unter 20 Prozent. 1999 wurde sie mit 26,5 Prozent zweitstärkste Partei. Nach fünfjähriger Mitregierung ist sie jetzt mit 19,4 Prozent nur noch drittstärkste Kraft, deutlich abgeschlagen hinter SPD (31,9) und PDS (28,0). „O Gott, fünf Jahre Arbeit umsonst“, stöhnen manche. Aber auch: „Das hat Jörg Schönbohm nicht verdient.“

Der Innenminister und Parteichef, der die CDU zur stärksten politischen Kraft im Land machen und Ministerpräsident werden wollte, wirkt angespannt, als er in Hermannswerder ans Rednerpult tritt. Er setzt zum Sprechen an, wird vom Fernsehton übertönt. „Leiser“, ruft Schönbohm. Als nichts passiert, nimmt er zwei Finger in den Mund, pfeift gellend. Die Niederlage führt er auf die „tektonischen Erschütterungen durch Hartz IV“ zurück. Nicht auf seinen defensiven Wahlkampf, nicht auf seine geringe Popularität. Bei einer Direktwahl des Ministerpräsidenten würden ihn nur 14 Prozent wählen – noch nicht einmal alle CDUWähler.

Die Meinungsforscher nennen noch andere Gründe für die Niederlage: das geringe Ansehen der Partei. Nur neun Prozent der Wähler hielten die CDU für „sozial“. Der Wahlkampf der Union sei ins Leere gegangen, urteilt Forsa-Chef Manfred Güllner. Die CDU trat als „Brandenburg-Partei“ an, überließ die Marktplätze aber Platzeck. Sie scheute die offene Auseinandersetzung über Hartz IV, mit der die PDS punktete.

Wie geht es weiter? „Wir dürfen uns nicht auseinander dividieren lassen“, appelliert Schönbohm, gerade 67 Jahre alt geworden, an die Union. „Die Kraft einer Partei zeigt sich, wenn sie mit Verlusten umgehen muss.“ Eine Vorahnung der Nachfolge-Debatten, die jetzt früher kommen werden, auch möglicher Machtkämpfe? „Es wird Diskussionen geben“, schwant etwa dem Landtagsabgeordneten Dieter Helm. „Die Nachfolge wird beschleunigt“, sagt eine bekannte CDU-Politikerin. Manche meinen, wenn auch noch hinter vorgehaltener Hand, dass Schönbohm den Parteivorsitz in absehbarer Zeit an einen Jüngeren abgeben sollte. Doch ein Nachfolger ist bislang nicht in Sicht.

Generalsekretär Thomas Lunacek betont denn auch: „Schönbohm ist unangefochten die Nummer 1.“ Niemand zweifelt in der Union daran, dass sich der Landesvorstand heute hinter Schönbohm stellen wird. Er brauche jetzt Rückhalt, auch für die Koalitionsverhandlungen mit der SPD, sind sich führende CDU-Politiker einig. Dass die Koalition wahrscheinlich fortgesetzt wird, ist der einzige Trost für viele Christdemokraten. Sie setzen darauf, dass die SPD über die PDS und ihre Anti-Hartz-Kampagne verärgert ist.

Dennoch fordert die von ihren Genossen im PDS-Wahlquartier gefeierte Spitzenkandidatin Dagmar Enkelmann von der SPD lautstark den „Politikwechsel“: „Die große Koalition ist abgewählt.“ Die SPD müsse sich jetzt klar entscheiden: „Will sie eine Koalition der Verlierer oder eine neue Politik mit der PDS für Brandenburg.“ Während die Spitzenpolitiker von Fernsehstation zu Fernsehstation eilen, hat der Poker um die künftige Regierung begonnen. „Die Gemeinsamkeiten zwischen SPD und CDU sind größer als zwischen SPD und PDS“, beschwört Schönbohm die SPD. Er weiß, dass die Verhandlungsposition der Union nach dieser Niederlage schlechter geworden ist. Matthias Platzeck, ganz Taktiker, hält sich bedeckt. Demonstrativ kündigt er Sondierungsgespräche mit dem bisherigen Partner, aber auch mit der PDS an: „Das gehört sich so.“ In seinem Umfeld heißt es, dass es eine Neuauflage der großen Koalition nur geben werde, wenn die CDU keine unerfüllbaren Forderungen stelle. Eine Anspielung auf den Schulstreit, wo die SPD an der sechsjährigen Grundschule festhalten will. Platzeck will zügig verhandeln. Bereits Mitte Oktober soll die neue Regierung stehen. Doch er gibt zu: „Es werden schwierige Verhandlungen.“

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