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Brandenburg: SPD-Chef Platzeck rückt von Manfred Stolpe ab

Von Michael Mara Potsdam. „Mit dem Vorstoß für eine rot-schwarze Koalition hat Stolpe den größten Fehler seit der Wende gemacht.

Von Michael Mara

Potsdam. „Mit dem Vorstoß für eine rot-schwarze Koalition hat Stolpe den größten Fehler seit der Wende gemacht.“ Führende Sozialdemokraten Brandenburgs sind davon überzeugt, auch wenn sie diese Meinung nicht offiziell äußern. Intern nimmt hingegen keiner ein Blatt vor den Mund: Dass der Regierungschef unmittelbar nach dem Bundesparteitag ein schlechtes Abschneiden von Rot-Grün bei der Bundestagswahl einkalkuliere und Kanzler Schröder eine Große Koalition empfehle, sei „ein unglaublicher Vorgang“, heißt es. Sowohl im SPD-Landesvorstand Montagabend wie auf der Sitzung der SPD-Fraktion Dienstagvormittag stießen Stolpes Gedankenspiele auf „Unverständnis und Widerspruch“. Selbst „Kronprinz“ Matthias Platzeck, der immer loyal zu seinem politischen Ziehvater steht, ging gestern erstmals öffentlich auf Distanz: Es sei „völlig überflüssig, vor dem 22. September,18 Uhr, über Koalitionen nachzudenken“. Niemand im Landesvorstand sei darüber glücklich, dass Stolpe zum jetzigen Zeitpunkt eine Koalitionsdebatte angestoßen habe. Doch während andere SPD-Politiker rätseln, ob der im Allgemeinen übervorsichtige Stolpe, der nie unüberlegt handele, „mit seinem Vorstoß ein bestimmtes Ziel verfolgt“, ist Platzeck überzeugt: „Dahinter steht weder eine strategische Linie, noch ein taktischer Winkelzug.“ Und weiter: „Der Ministerpräsident ist ein Mensch und somit nicht unfehlbar.“ Stolpe selbst gab sich in der Fraktion kleinlaut: Er habe registriert, dass seine Äußerungen „Erstaunen bis Entsetzen“ ausgelöst hätten. Er hoffe, dass die Reaktionen „die Mobilisierung der SPD im Wahlkampf nicht gefährden“. Und: „Ich habe mich etwas aufs Glatteis locken lassen“, übernahm er eine Formulierung des Kanzlers vom Vortag.

Genossen, die Stolpe besser kennen, sind überzeugt, dass er „das gesagt hat, was er denkt“: Aus seiner Abneigung gegen Rot-Grün habe er nie einen Hehl gemacht. Stolpe sei überzeugt, dass mit der Aussicht auf eine Neuauflage dieser schwächelnden Koalition im Osten nichts zu gewinnen sei, heißt es. Auch lehne er aus Prinzip „die Polarisierung zwischen SPD und CDU im Wahlkampf ab“. Also doch ein gezielter Vorstoß, um im Osten Stimmen einzufangen? Zumal auch CDU-Landeschef Jörg Schönbohm nachgesagt wird, bei einem knappen Wahlergebnis diese Variante zu bevorzugen? In jedem Fall habe er, sind sich führende Sozialdemokraten einig, „die Wirkung seiner Gedankenspiele vollkommen unterschätzt.“ Übel nehmen ihm die eigenen Genossen auch, dass er „die programmatische Nähe zur CDU/CSU beschwört, während der Bundesparteitag genau die gegenteilige Linie ausgegeben hat“. Sie sei „fassungslos“, kommentierte die Potsdamer SPD-Bundestagskandidatin Andrea Wicklein. Und der SPD-Unterbezirkschef von Teltow-Fläming und Landtagsabgeordnete Christoph Schulz hielt Stolpe gestern bei der Fraktionssitzung entgegen, dass gerade die Brandenburger SPD die Unterschiede zur CDU „viel deutlicher“ herausarbeiten müsse. Die Wähler seien nur durch Abgrenzung zu mobilisieren, so Schulz.

Nach Stolpes umstrittener Äußerung ist das Thema „Wachablösung“ plötzlich wieder bei märkischen Genossen aktuell. Erneut lebt das Gerücht auf, dass Stolpe nach der Bundestagswahl das Zepter an Platzeck abgeben könnte. „Er hat es selbst provoziert“, kommentierte ein Sozialdemokrat, „der Vorstoß zur Unzeit wird Stolpe schaden.“ Ein so negatives Echo auf Äußerungen des Ministerpräsidenten hat es in der eigenen Partei bisher jedenfalls nie gegeben.

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