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Brandenburg: SPD enttäuscht von Personalpolitik in Bonn

POTSDAM / BONN .Offiziell herrscht bei der SPD in Bonn nach dem vollzogenen Machtwechsel eitel Sonnenschein, doch hinter den Kulissen herrscht Unruhe.

POTSDAM / BONN .Offiziell herrscht bei der SPD in Bonn nach dem vollzogenen Machtwechsel eitel Sonnenschein, doch hinter den Kulissen herrscht Unruhe.Ostdeutsche Bundestagsabgeordnete sind verärgert, weil sie ihre Interessen bei den Personalentscheidungen in Regierung und Fraktion nicht hinreichend berücksichtigt sehen.Besonders groß ist der Frust bei den brandenburgischen SPD-Abgeordneten.Ihr Sprecher Ernst Bahr hat in Schreiben an Bundeskanzler Gerhard Schröder und Fraktionschef Peter Struck nicht nur die "große Enttäuschung" über die mangelnde Berücksichtigung märkischer Politiker zum Ausdruck gebracht, sondern auch Konsequenzen angedroht: Man werde die konstruktive Beteiligung an der Regierungsarbeit und das Abstimmungsverhalten konkret davon abhängig machen, "inwieweit die ostdeutschen und insbesondere die Brandenburger Interessen realisiert werden".

Die Schreiben tragen das Datum 27.Oktober, das heißt, sie sind unmittelbar nach der Vereidigung von Kanzler Gerhard Schröder abgesandt worden.Sie lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: In dem persönlichen Schreiben an den Bundeskanzler mit der Anrede "Lieber Gerhard" heißt es: Die Landesgruppe Brandenburg stelle mit großer Enttäuschung fest, "daß sowohl bei den Personalentscheidungen für die Bundesregierung, als auch in der Ausgestaltung des Amtes des Staatsministers für den Aufbau Ost die ostdeutschen Interessen nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden sind".Und weiter: "Damit sind wir weit hinter den Wahlversprechungen unserer Partei und auch Deinen persönlichen Aussagen zurückgefallen." Die Brandenburger Abgeordneten seien nicht bereit, "dies lediglich zur Kenntnis" zu nehmen und eine ähnliche bescheidene Rolle zu spielen, wie die Gruppe der ostdeutschen CDU-Abgeordneten in der 13.Legislaturperiode."Zu einer klaren Verständigung" über dieses Thema wird Schröder "dringend um ein Gespräch innerhalb" der Landesgruppe gebeten.

In dem Schreiben an Struck beklagt die Landesgruppe, "daß in den Personalentscheidungen der Fraktion sowie bei den Optionen für Ausschußvorsitzende...die ostdeutschen Interessen unangemessene Berücksichtigung finden werden".Die Brandenburger Landesgruppe erwarte, daß sich Struck entsprechend seinen Ankündigungen "um eine proportional ausgewogene personelle Beteiligung ostdeutscher Kolleginnen und Kollegen in Führungspositionen der Fraktion und bei Ausschußvorsitzenden" bemühen werde.Nur dann könnten die Ostdeutschen ihre Kompetenz "für die konkrete Gestaltung eines gesamtdeutschen Politikwechsels" wirklich einbringen.Auch hier findet sich die Drohung, daß die Landesgruppe bei Nichtbeachtung ihrer "legitimen Forderungen" ihr Abstimmungsverhalten in der Fraktion in Zukunft konkret davon abhängig machen werde, "wie die ostdeutschen und insbesondere die Brandenburger Interessen berücksichtigt werden".

Auf Anfrage des Tagesspiegels bekräftigte Landesgruppenchef Ernst Bahr, daß ostdeutsche und Brandenburger Politiker stärker berücksichtigt werden müßten: "Wir haben gute Leute." Zwar seien in der Regierung, wo er sich drei ostdeutsche Minister und Staatssekretäre gewünscht hätte, so gut wie keine Positionen mehr offen.Doch gebe es noch Chancen bei der Besetzung von Führungspositionen in der Fraktion.Allerdings ist der Brandenburger Abgeordnete Stefan Hilsberg, der sich um den Posten eines stellvertretenden Fraktionschefs bemüht hatte, am Dienstag trotz des Protestes von Bahr nicht für dieses Amt nominiert worden.Wegen der Frauenquote bestehe die Gefahr, daß anstatt bisher drei künftig nur zwei Ostdeutsche in den geschäftsführenden Fraktionsvorstand vertreten sein werden, zürnt man in der Landesgruppe.

Während Bahr für die mangelnde Berücksichtigung Ostdeutscher neben dem "Quotendschungel" die Fraktionsstrukturen und das Bestreben nach Besitzstandswahrung anführte, gibt es auch diese Meinung: "Brandenburg ist auch deshalb unter den Tisch gefallen, weil seine Interessenvertretung nicht geschickt eingefädelt worden ist."

MICHAEL MARA

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