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Internetzeitung: Und nun zur Kasse

Die britische „Times“ will künftig für alle Inhalte im Internet Geld verlangen. Kann das funktionieren?

Es wäre eine kleine Revolution. Doch bisher scheint nur klar, dass die „Times“ bald nicht mehr gratis im Netz zu haben sein wird. „Wir arbeiten noch am exakten Preismodell“, heißt es aus der Pressestelle der „Times“. Vermutlich werde man sich nach dem Kioskpreis der britischen Tageszeitung richten und etwa einen Euro für 24 Stunden Zugang zur Seite www.timesonline.co.uk verlangen.

Kreative Leistungen müssen mit Geld bezahlt werden, ist die Devise Rupert Murdochs, zu dessen News-Corp die „Times“ gehört. Der 78-jährige australische TV- und Zeitungsunternehmer kündigte schon vor fast einem Jahr an, dass er die Online-Auftritte seiner Zeitungen hinter einer „Bezahlmauer“ vor dem Zugriff von Google und anderen Suchmaschinen schützen und dabei mit der „Times“ und der „Sunday Times“ beginnen wolle. Starttermin sollte der 1. Juni 2010 sein. Doch vor einigen Wochen hatte Murdoch bereits eingeräumt, dass das Bezahlsystem wohl doch nicht zu diesem Zeitpunkt starten könne.

Umso überraschender, dass Chefredakteur James Harding nun in einem Vortrag auf einer Zeitungskonferenz ankündigte, „im Frühjahr 2010“ werde es mit dem Bezahlen losgehen. Murdoch hofft, auf diese Weise den Rückgang von Werbeeinnahmen im Printbereich durch Online-Anzeigenwachstum kompensieren zu können. „Seit einem Jahr wissen die Zeitungen, dass es dieses Wachstum nie geben wird, weil es zu viele Internetanzeigen gibt“, sagt Medienprofessor George Brock von der City University London. „Sie experimentieren“, glaubt er und hält diese Ankündigung eher für einen Testballon, den die „Times“ aufsteigen lässt.

Wie ist die Situation in anderen Ländern?

In Deutschland gibt es unter den Angeboten von Zeitungsverlagen und Medienunternehmen bislang keine reinen Bezahlangebote. Noch ist es ein Tabu, für journalistische Inhalte Geld zu verlangen. Zwar „haben Zeitungen gedruckt und online zusammen die höchste Reichweite, die sie jemals in Deutschland erzielt haben. Allerdings kann die Branche die Online- Reichweite noch nicht monetarisieren“, sagt Anja Pasquay vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Verschärft wird die Situation jetzt durch die Wirtschaftskrise, in der die Werbeerlöse stark eingebrochen sind. „Die Verlage sind deshalb nun dazu gezwungen, nach alternativen Einnahmequellen zu suchen“, sagt Pasquay. Einige Titel wie die „Rhein-Zeitung“ oder die „Süddeutsche Zeitung“ bieten ihre Artikelarchive kostenpflichtig an. Beim Tagesspiegel ist auch das Online-Archiv kostenfrei.

Relativ erfolgreich bietet aber beispielsweise die Stiftung Warentest Inhalte des Magazins „Test“ im Internet an. Seit dem Start des Online-Auftritts der Stiftung 1997 werden die Informationen nur gegen Bezahlung zur Verfügung gestellt. Das hat 2009 bislang 1,9 Millionen Euro Umsatz gebracht. Haupteinnahmequelle der Stiftung bleiben jedoch die Printerzeugnisse. „Aber der Onlinemarkt wächst im zweistelligen Bereich“, sagt Hubertus Primus, „Test“-Chefredakteur.

Prinzipiell wird Murdochs Schritt in der deutschen Verlagsbranche mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Bezahlinhalte sind zum beherrschenden Thema der Branche geworden. „Jahrhundertelang hat es funktioniert, dass für Journalismus Geld gezahlt wurde. Ich verstehe nicht, warum das nicht auch im digitalen Zeitalter funktionieren soll“, sagte Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Axel Springer Verlags („Bild“, „Welt“) kürzlich.

Das Problem ist die Gratismentalität im Netz. Viele Nutzer sind es gewohnt, im Netz rund um die Uhr Inhalte kostenlos konsumieren zu können. Vor allem müssten alle Verlage für Bezahlinhalte in einer konzertierten Aktion mitziehen. Denn treu sind Nutzer von Online-Seiten nur, solange sie nicht zahlen müssen. Stellt eine Zeitung um, würden viele Nutzer einfach zu einem anderen, weiterhin kostenfreien Angebot wechseln, sagt VDZ-Geschäftsführer Wolfgang Fürstner. „Deshalb liegt im Wechsel des Geschäfts- beziehungsweise Bezahl-Modells ein gewisses Risiko. Wird ein Online-Angebot kostenpflichtig, sinkt die Reichweite und der Werbeumsatz.“ Fürstner glaubt, dass auch in Deutschland „Paid-Content-Modelle“ durchzusetzen sind. „Solche Wechsel müssen durchdacht und mit langem Atem stattfinden. Die Kunst ist, die Reichweite zu erhalten und Paid Content als zusätzlichen Erlöspunkt zu integrieren“, sagt er.

International gab es immer wieder Versuche, für Online-Angebote Geld zu verlangen. Nur wenige Zeitungen wie Murdochs „Wall Street Journal“, die „Financial Times“ oder das „Handelsblatt“ haben es bisher geschafft, einen kleinen Teil als „Premium“ zu verkaufen – meist an Firmenkunden. Die „New York Times“ experimentierte von 2005 bis 2007 mit Bezahlangeboten, die vor allem Kolumnen und Meinungsstücke enthielten. Der Dienst wurde wieder eingestellt. In Frankreich hat nun auch der „Figaro“ angekündigt, im nächsten Jahr mit Bezahlinhalten experimentieren zu wollen.

Gibt es einen Markt für Bezahlinhalte?

Der potenzielle Markt wurde vielfach untersucht. Die meisten Studien kommen zu dem Ergebnis, dass für große Teile der Inhalte im Netz die Nachfrage fehlt. „Wir haben festgestellt, dass es nur eine sehr kleine Gruppe ist, die bereit ist, für Internetinhalte zu zahlen“, sagt Christian Hallerberger, Sprecher des Hightech- Verbands Bitkom.

Ähnlich sieht es in den USA aus. Eine Studie des privaten Forschungsinstituts Forrester kam zu dem Schluss, dass rund 80 Prozent der Amerikaner nicht für Inhalte bezahlen wollen. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn nach spezifischen Inhalten gefragt wird. Unternehmensberater der Boston Consulting Group stellten bei einer Umfrage in sieben europäischen Ländern, darunter Deutschland, sowie in den USA und Australien fest, dass 60 Prozent der Befragten bereit wären, für spezifische Inhalte wie Lokalnachrichten zu zahlen. Besonders gering ist die Bereitschaft dagegen, wenn für Nachrichteninhalte bezahlt werden soll, die gleich mehrfach im Netz auftauchen.

Welche Hürden gibt es?

Auch die Berater von Boston Consulting weisen auf Probleme bei Bezahlinhalten hin. So sind die Kunden nur bereit zu zahlen, wenn Inhalte sehr günstig angeboten werden. Zwischen drei und sieben Dollar würden die Nutzer für Internetinhalte pro Monat ausgeben – in Italien am meisten, in den USA am wenigsten. Ein weiteres Problem sind die Bezahlmodalitäten. Wird pro Artikel abgerechnet, fallen nur Kleinstbeträge an. Der Bearbeitungsvorgang kann dann unter Umständen größer als der Umsatz sein.

Besser funktionieren Bezahlmodelle bei Handys. Einige Verlage bieten spezielle Inhalte für Mobiltelefone an, die über die Telefonrechnung abgebucht werden. Auch Zeitungen bräuchten eine „One-Klick-Lösung“, durch die mit einem Klick für die Nutzung der Seite bezahlt werden könne, sagt Pasquay.

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