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© dpa

Nahverkehr: Seit Wintereinbruch 200 S-Bahn-Wagen lahmgelegt

Immer mehr Fahrzeuge fallen aus – angeblich witterungsbedingt. Senatorin Junge-Reyer weist Mitverantwortung für das Dauerchaos zurück.

Die S-Bahn rutscht immer tiefer ins Chaos – und eine Lösung ist nicht in Sicht. Am Donnerstag musste das Unternehmen noch mehr Fahrten streichen als an den Vortagen. Allein witterungsbedingt sollen nach Angaben der S-Bahn derzeit 100 aus je zwei Wagen bestehende Fahrzeugeinheiten nicht einsatzfähig sein. Weitere stehen in den Werkstätten, weil die Sicherheitskontrollen verschärft worden sind. Von rund 550 zu Spitzenzeiten normalerweise benötigten Fahrzeugeinheiten waren gestern nur 275 unterwegs. Zu den geplanten Einschränkungen auf den Linien S 1, S 2, S 47, S 5 und S 7 kommen zudem regelmäßig weitere Zugausfälle und Verspätungen, von denen die Fahrgäste dann völlig überrascht werden.

Insider bei der Bahn und auch der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) sowie die Fahrzeughersteller weisen die Behauptung zurück, der massenweise Ausfall der Züge sei auf den strengen Winter zurückzuführen. Ursache sei vielmehr eine aus Kostengründen unterlassene Wartung und unzureichende Vorbereitung auf den Winter.

Ein an der Konstruktion der Fahrzeuge beteiligter Fachmann sagte, die Bahnen seien so ausgelegt, dass sie bis zu einer Temperatur von Minus 30 Grad fahren könnten, auch bei Flugschnee. Würden die Fahrzeuge wie ursprünglich vorgesehen gewartet, führe auch der Schnee zu keinen gravierenden Problemen. Seit 1997, als die ersten Züge dieser Baureihe geliefert worden sind, seien sie auch im Winter gefahren – ohne große Ausfälle.

An der Reparatur der Fahrzeuge beteiligt sich jetzt auch des Werk Dessau der Bahn. Zudem will die S-Bahn 50 weitere Serivcekräfte für Informationen auf Bahnhöfen einsetzen. Der VBB fordert, dass diese auch Englisch sprechen können.

Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer glaubt nicht, dass die S-Bahn bald zum Normalbetrieb zurückkehrt. Es gebe zwar Pläne der S-Bahn, um bis Mitte Februar zur vertraglich zugesicherten Leistung zu kommen, sagte Junge-Reyer in der Aktuellen Stunde des Abgeordnetenhauses am Donnerstag. Doch werde sie sich darauf nicht verlassen.

Wie das S-Bahn-Chaos in absehbarer Zeit beendet werden kann, weiß indes kein Berliner Politiker. Einig waren sich die Fachleute der Fraktionen in der Debatte nur in ihrer Empörung über die Bahn-Verantwortlichen. Dass den Senat eine Mitschuld an der Krise treffe, bestritt Junge-Reyer ebenso wie Christian Gaebler, Verkehrsfachmann der SPD-Fraktion. Beide machten den Vorstand der Bahn verantwortlich, den an der S-Bahn nur der Profit interessiert habe. Die langfristige Folge aus dem Ärger mit der Bahn könnte laut Junge-Reyer und Gaebler in einer teilweisen Privatisierung des S-Bahn-Netzes bestehen. Junge-Reyer deutete Sympathien für die Übernahme der S-Bahn durch das Land an.

Davon hielt die Opposition nichts. CDU und Grüne sind für eine schnelle Ausschreibung von Teilen des Netzes. Die Grünen wollen sogar den Vertrag mit der S-Bahn fristlos kündigen. FDP-Fraktionschef Christoph Meyer sagte, Ursache des Chaos sei, dass die S-Bahn jahrelang konkurrenzlos gefahren sei.

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