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Tempelhof: Schließung ignorieren

Luftfahrtexperte: Weiterbetrieb unbedenklich. Icat will zwei Millionen Passagiere abfertigen.

Der denkmalgeschützte Gebäudekomplex des Flughafens Tempelhof kann als Immobilie nur bei einem Ausbau des bestehenden Flugverkehrs gewinnbringend genutzt werden. Das besagt zumindest ein Gutachten der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft, das am Mittwochabend auf einer Veranstaltung der Interessengemeinschaft City- Airport Tempelhof (Icat) im Rathaus Schöneberg vorgestellt wurde. Eine weitere Aussage des Gutachtens: Der Betrieb des Zentralflughafens sei notwendig, weil die Kapazität des neuen Airports BBI in Schönefeld bereits bei dessen für Ende 2011 geplanter Eröffnung ausgereizt sein werde, was die Flughafengesellschaft dementiert.

Während die Flughafengesellschaft mit 22 bis 25 Millionen Passagieren rechnet, erwartet der Fachhochschul-Dozent Dieter Schlobach bei Hochrechnung der langfristigen Wachstumsraten 2012 rund 28,3 Millionen Passagiere und 358 236 Starts und Landungen auf BBI. Bei der genehmigten Obergrenze von 360 000 Flugbewegungen gebe es in Schönefeld dann keine Wachstumsmöglichkeiten mehr. Tempelhof könne den BBI aber um täglich 56 Kurzstreckenflüge mit kleinen Maschinen für maximal 100 Passagiere entlasten. Bei einer durchschnittlichen Auslastung von 40 Reisenden pro Flugzeug entspreche das 1,87 Millionen Fluggästen. So ließen sich Einnahmen aus dem Flugbetrieb von 18 Millionen Euro erzielen, und nur so sei auch ein Gewinn möglich. Denn selbst bei kompletter Vermietung der derzeit nur zu 30 Prozent ausgelasteten, gut 248 000 Quadratmeter Gebäudefläche würden die Kosten noch knapp über den zu erzielenden Mieteinnahmen liegen. Voraussetzung sei, dass Tempelhof nicht nur für Geschäftsflieger, sondern als regelrechter Verkehrsflughafen offen bliebe.

Für den Luftrechtsexperten Elmar Giemulla gibt es keinen juristischen Grund, Tempelhof zu schließen. Bei dem sogenannten Konsensbeschluss zwischen Bund, Berlin und Brandenburg, bei rechtssicherer Planungsreife für den BBI zuerst Tempelhof und zu dessen Eröffnung auch Tegel zu schließen, sei lediglich der rechtlich unerhebliche Beschluss der drei Gesellschafter einer Firma. Auch Landesentwicklungsplan und Entwidmungsbeschluss könnten problemlos zurückgenommen werden. Tempelhof würde den Bau des BBI nicht gefährden, weil es gegen einen Weiterbetrieb von Tempelhof keinen Klageberechtigten gebe.

Der Chef des CDU-Wirtschaftsrates Berlin-Brandenburg, Claus-Peter Martens, warf dem Senat vor, den Volkswillen zu ignorieren. Die unter anderem von SPD, Grünen und Linkspartei getragene Kampagne der Tempelhof-Gegner sei „eine Schande für diese Stadt“. Wer Tempelhof offen halte, gebe damit auch potenziellen Investoren das Signal, dass Berlin eine Chance habe, sich wirtschaftlich positiv zu entwickeln, sagte der Vorsitzende des Bundes der Selbstständigen in Berlin, Carsten Wilke. Wer Tempelhof schließen wolle, glaube nicht an diese Chance.

Wie das Flughafengebäude auch ohne Flugverkehr weiter genutzt werden könnte, will die Stadtentwicklungsverwaltung heute auf einem Fachforum im Flughafen Tempelhof von 11 bis 17 Uhr unter anderem mit Architekten und Immobilienexperten diskutieren.

Rainer W. During

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