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Gar nicht sprachlos: Muhammed möchte Englischlehrer werden.

© Annika Middeldorf

Deutschkurse für Geflüchtete: Ein neues Leben und ein alter Traum

Der syrische Flüchtling Muhammed lernt an der Freien Universität Deutsch.

In zusammenhängenden Sätzen über Erfahrungen, Hoffnungen und Ziele sprechen – nach europäischem Referenzrahmen müssen Sprachlerner das auf einer bestimmten Lernstufe können. Muhammeds Deutschkenntnisse reichen dafür noch nicht ganz, im Englischen fühlt er sich derzeit noch sicherer.

Vor drei Jahren ist der 25-Jährige aus der syrischen Hauptstadt Damaskus geflohen. Seit knapp zwei Monaten besucht Muhammed auf dem Campus Lankwitz der Freien Universität an drei Tagen in der Woche einen Deutschkurs für studieninteressierte Flüchtlinge, über den er zur Zeit noch auf Englisch spricht. „Der Kurs ist anspruchsvoll, ich lerne wirklich viel. Und wir haben eine gute Stimmung im Unterricht“, sagt Muhammed. Die Motivation ist hoch: Denn die deutsche Sprache zu beherrschen, bedeutet für die Kursteilnehmer nicht nur, sich in ihrer neuen Heimat zurechtzufinden. In vielen Studiengängen zählen ausreichende Deutschkenntnisse zu den Voraussetzungen, um ein reguläres Studium aufzunehmen. Die Freie Universität hat deshalb im Rahmen ihres Welcome@FUBerlin-Programms für studieninteressierte Flüchtlinge Deutschsprachkurse eingerichtet. Um Zwischenergebnisse festzuhalten und inhaltliche Schwerpunkte zu setzen, ist der Kurs in drei aufeinander aufbauende Module gegliedert. Muhammed kam das zugute: „Auf Rat meines Lehrer habe ich ein Modul übersprungen, weil ich schnell Fortschritte gemacht hatte“, sagt er. Auch im Alltag nutzt er jede Gelegenheit, um Deutsch zu sprechen. Dass er in Berlin einen deutschen Freundeskreis hat, erleichtert die Sache.

„Viele meiner Berliner Freunde studieren an der Freien Universität. Sie haben mich auf das Welcome-Programm aufmerksam gemacht“, sagt Muhammed. Seine Nation ist unter den Deutschlernern am häufigsten vertreten: Mehr als 80 Prozent der Teilnehmer stammen aus Syrien. Im Klassenraum sitzen vor allem Männer – in Muhammeds Modul sind es fast 90 Prozent: Meist werden die jungen Männer von ihren Familien als Erste fortgeschickt.

„In Deutschland haben wir die besten Chancen auf eine Zukunft"

Muhammed hatte Sorge, in Syrien zum Militärdienst verpflichtet zu werden. Außerdem hatte er 2011 Proteste gegen die Regierung unterstützt und organisiert. „Bei einer Demo verhaftete mich die Polizei. Ich hatte Glück, weil sie mich nicht gleich ins Gefängnis gesteckt haben. Aber von diesem Zeitpunkt an kannten sie meine Adresse. Ich konnte mich in der Stadt nicht mehr sicher fühlen“, sagt Muhammed, dessen voller Namen deshalb nicht genannt werden soll. Oppositionelle würden in Syrien gleich eingesperrt. An der Damaskus-Universität hatte er mehrere Semester studiert, wollte Englischlehrer werden. „Nur die Abschlussprüfungen fehlten noch“, sagt er. Aber der Druck, das Land verlassen zu müssen, war zu groß.

Muhammed brach gemeinsam mit seinem Bruder, einem studierten Zahntechniker, auf. Die Flucht führte beide zunächst über den Libanon nach Ägypten. Ein Jahr blieben sie dort, dann zogen sie weiter in die Türkei und schließlich nach Deutschland. Statt wie geplant sein Studium fortzusetzen, musste sich Muhammed während der Fluchtjahre mit Aushilfsjobs über Wasser halten. In Istanbul, wo er als syrischer Flüchtling nicht legal arbeiten durfte, war er der Willkür seines Arbeitgebers ausgeliefert. „Bis zu 14 Stunden musste ich täglich in einer Näherei arbeiten“, berichtet er. Nach einem Jahr entschieden die Brüder, die Stadt am Bosporus zu verlassen.

„Die Flucht von Istanbul nach Berlin war der schwierigste Teil – und der teuerste“, sagt Muhammed. 10 000 Euro zahlten die Brüder, der Großteil davon ging an Schlepper. „In Deutschland haben wir die besten Chancen auf eine Zukunft, deshalb wollten wir unbedingt hierher.“ Eine Zukunft, das bedeutet für ihn auch, wieder an die Universität zu gehen. Seinen Traum, Englischlehrer zu werden, hat er noch nicht aufgegeben. An der Freien Universität möchte er zum kommenden Wintersemester das Studium aufnehmen. Dann wird er über seine Erfahrungen, Hoffnungen und Ziele auch auf Deutsch sprechen können.

„Welcome@FUBerlin“ ist ein umfangreiches Paket von akademischen Angeboten, das Menschen, die aus Krisengebieten geflohen sind, den Zugang zum Studium erleichtern soll. Am Dienstag, 23. Februar, findet ab 10 Uhr eine Informationsveranstaltung in englischer Sprache statt. Ort: Henry-Ford-Bau, Hörsaal D, Garystraße 35, 14195 Berlin. Alle Infos zum Programm finden Sie hier: www.fu-berlin.de/welcome.

Annika Middeldorf

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