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Hamed Al-Drubi (stehend) bietet am Sprachenzentrum der Freien Universität Arabischkurse für Flüchtlingshelfer an.

© Annika Middeldorf

Engagement für Flüchtlinge: „Die Sprache öffnet Türen und Herzen“

Hamed Al-Drubi ist Arabisch-Lehrer. Er hilft Geflüchteten und ihren Unterstützern.

Wenn Hamed Al-Drubi in seinen Unterricht geht, zieht er eine blaue Sackkarre hinter sich her. Darauf gestapelt sind ein Dutzend Arabisch-Wörterbücher, jedes hat knapp 1 500 Seiten und wiegt mehr als zwei Kilo. Studierende der Islamwissenschaft lernen damit beispielsweise, jahrhundertealte Texte ins Deutsche zu übersetzen. Der Sprachdozent und gebürtige Jordanier Hamed Al-Drubi unterrichtet seine Muttersprache aber nicht nur im Rahmen des Unterrichts: „Ich möchte mehr als die Grammatik des Arabischen erklären“, sagt Al-Drubi.

Mit seinen Kollegen Nizar Romdhane und Bouchra Laun, ebenfalls Arabisch- Dozenten am Sprachenzentrum der Freien Universität, bietet Al-Drubi einen Workshop für Helfer in Flüchtlingsinitiativen an. Bestandteil ist eine Einführung in den syrischen Dialekt, eine Variante des Hoch- Arabisch. Dabei gehe es nicht darum, die Sprache fließend zu beherrschen, sagt Hamed Al-Drubi: „Die Sprache öffnet Türen und Herzen. Wenn jemand ein paar Worte Arabisch spricht, wird das vor allem als Geste verstanden.“ In dem Workshop geht es auch um die gesellschaftlichen und kulturellen Hintergründe der arabisch-islamischen Welt.

Flüchtlinge an der Universität begleiten und beraten, das ist eines der Bestandteile des Welcome@FUBerlin-Programms, das im Oktober dieses Jahres gestartet ist. Die Sprache spielt hier eine besondere Rolle: Für studieninteressierte Flüchtlinge ist Deutsch der Schlüssel zur Selbstbestimmung und gleichfalls Voraussetzung für ein Studium. Umgekehrt möchten viele engagierte Flüchtlingshelfer die Sprache der Geflüchteten lernen. Mit ihren Kenntnissen in Arabisch, Persisch, Türkisch oder Urdu unterstützen auch die Doktorandinnen und Doktoranden der Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies (BGSMCS) Flüchtlinge, beispielsweise mit dem Projekt „Formulare verstehbar machen“, bei dem Unterlagen übersetzt und erläutert werden.

Einander verständlich machen, dieses Anliegen verfolgt Hamed Al-Drubi in den mehr als 15 Jahren, in denen er Arabisch unterrichtet: Ende der 1990er Jahre interessierten sich nur wenige Leute für die Sprache, erzählt Al-Drubi. Dann kam der 11. September, und mit den Anschlägen in den USA änderte sich das Interesse an der Sprache schlagartig. „Plötzlich wollten die Leute mehr über die arabische Welt erfahren – und auch die Sprache lernen“, sagt Al-Drubi. Seitdem Tausende Flüchtlinge – die meisten zurzeit aus Syrien – in Deutschland eine Perspektive suchen, ist das Interesse an der Sprache noch stärker geworden.

In der Alltagskommunikation wird immer im Dialekt gesprochen

Besonders die Arabisch-Sprachkurse aus dem Angebot der Allgemeinen Berufsvorbereitung (ABV), bei dem Bachelorstudierende Zusatzqualifikationen erwerben können, sind von Studierenden der Freien Universität in diesem Wintersemester stark nachgefragt. „Wir halten ein breites Angebot für die ABV bereit, allerdings können wir aus Kapazitätsgründen nicht jedem Studierenden einen Platz garantieren“, sagt Ruth Tobias, Leiterin des Sprachenzentrums. Drei Lehrkräfte für das Arabische sind derzeit am Sprachenzentrum der Freien Universität beschäftigt. „Es freut mich deshalb umso mehr, dass unsere Dozenten nicht nur sehr qualifiziert, sondern auch sehr engagiert sind“, sagt Ruth Tobias. Das ehrenamtliche Engagement der Arabisch-Lehrer sei keine Selbstverständlichkeit.

Immer häufiger klopfen nun auch Flüchtlinge an die Bürotür von Al-Drubi und seinen Kollegen. „Sie fragen nach Sprachkursen, Tandempartnern oder einfach nach dem Weg zum Service-Center“, sagt Al-Drubi. Durch die Kenntnis des syrischen Dialekts ist Hamed Al-Drubi als Ansprechpartner besonders gefragt. „In der Alltagskommunikation wird immer im Dialekt gesprochen. Das Hoch-Arabisch ist eine Sprache der Wissenschaft oder für offizielle Anlässe.“

Al-Drubis Familie lebt nur knapp 15 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Schon vor vier Jahren kamen zahlreiche Flüchtlinge aus Syrien dort an, etwa 100 000 sind gegenwärtig in einem Lager untergebracht. „Die Debatte, die gerade in Deutschland geführt wurde, haben wir schon hinter uns“, sagt Al-Drubi. Einmal im Jahr reist er in seine alte Heimat. In diesem Sommer habe er sich dort mit einem Taxifahrer über die Situation der Flüchtlinge unterhalten. Der Fahrer habe ihn unterbrochen: „Bitte, sagen Sie nicht Flüchtlinge. Es sind unsere Gäste.“ Das habe ihn gerührt, sagt Hamed Al-Drubi.

Mehr zu den Angeboten der Freien Universität für Geflüchtete und ihre Helfer finden Sie hier.

Annika Middeldorf

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