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Pionierin in der Computergeschichte: Am Anfang war Ada

Vor 200 Jahren wurde die Pionierin des Computerprogrammierens geboren – die Britin war eine schillernde Figur.

Informationstechnik ist noch immer eine überwiegend männliche Branche. Es war aber eine Frau, die das erste Computerprogramm schrieb – und zwar schon 1843 in London, 100 Jahre vor der Erfindung des ersten elektronischen Rechners: Ada Lovelace, Tochter des romantischen Dichters Lord Byron. 200 Jahre nach ihrer Geburt soll eine Ausstellung über Lovelace und spätere Pionierinnen der Computertechnik Mädchen dazu ermutigen, sich mit Informatik zu befassen.

Am 2. September eröffnet das Heinz Nixdorf Museums Forum (HNF) in Paderborn die Schau „Am Anfang war Ada – Frauen in der Computergeschichte“. Die Philosophin Sybille Krämer von der Freien Universität Berlin gibt vertiefend zur Ausstellung ein Buch über Ada Lovelace und die Frage nach Geschlecht in der Computerwissenschaft heraus.

„Ada Lovelace war eine schillernde Persönlichkeit“, sagt Professorin Krämer. „Rationalität und Rausch treffen in ihr zusammen.“ Augusta Ada Byron wurde 1815 in London als Kind von Lord Byron und seiner Frau Annabella Milbanke geboren. Die Eltern trennten sich kurz nach ihrer Geburt. Ada lernte ihren exzentrischen Vater nie kennen; er starb, als sie acht Jahre alt war. Lady Byron ließ ihre Tochter privat unterrichten und legte besonderen Wert auf eine strenge mathematische und naturwissenschaftliche Ausbildung, aus Sorge, das Kind könnte die poetische Leidenschaft seines Vaters geerbt haben. Ein Drill, der nicht folgenlos blieb: Die Tochter wurde eine solch leidenschaftliche Mathematikschülerin, dass sie mit 17 Jahren eine Affäre mit ihrem Hauslehrer einging.

Zu Ada Lovelace’ Tutoren, die die begabte junge Frau förderten, gehörte auch die schottische Astronomin und Mathematikerin Mary Somerville, die sie in die wissenschaftlichen Kreise Londons einführte. „Frauen im 19. Jahrhundert durften weder an der Universität studieren noch Bibliotheken besuchen. Um sich zu bilden, waren sie auf privaten Austausch angewiesen“, sagt Sybille Krämer. Mit 18 Jahren hörte Ada einen Vortrag des Mathematikers Charles Babbage über seine Idee für eine Rechenmaschine, die „Difference Engine“.

Ada war begeistert, besuchte Babbage, um sich den Prototyp anzusehen, und wurde seine Schülerin. Er förderte sie, obwohl ein Interesse an Mathematik für Frauen damals nicht „schicklich“ gewesen sei, sagt Krämer. 1835 heiratete Ada mit 19 Jahren Baron William King, der später zum Earl of Lovelace ernannt wurde, und bekam drei Kinder. Damit sie ihren Studien nachgehen konnte, ging ihr Mann für sie in Bibliotheken und schrieb wissenschaftliche Artikel ab.

Charles Babbage entwickelte Pläne für eine weitere Maschine, die „Analytical Engine“, die alle Elemente eines modernen Computers enthielt: arithmetische Einheiten, bedingte Verzweigungen, Schleifen und einen Speicher. Über Lochkarten gesteuert, sollte sie komplexe Berechnungen ausführen. Ada Lovelace war einer der wenigen Menschen, die den Entwurf verstanden und sein Potenzial erkannten. Als der italienische Mathematiker Luigi Menabrea einen Vortrag Babbages in einer französischen Zeitschrift zusammenfasste, übersetzte Ada Lovelace den Artikel ins Englische. Babbage ermutigte sie, den Text um eigene Notizen zu ergänzen. Ihre Kommentare hatten schließlich die dreifache Länge des ursprünglichen Artikels. 1843 wurde der Aufsatz veröffentlicht und machte Ada Lovelace berühmt.

Sie erklärte den Unterschied der „Analytical Engine“ zur „Difference Engine“: Während eine Rechenmaschine einzelne arithmetische Operationen ausführe, die der Mensch von Hand eingeben müsse, könne die „Analytical Engine“ die Befehle intern speichern und sie automatisch ausführen. Um die Funktionsweise der Maschine zu demonstrieren, ließ Ada Lovelace sich von Charles Babbage die Bernoulli-Zahlen, eine mathematische Formel, geben. Sie schrieb einen Plan, mit dem die „Analytical Engine“ die Zahlen mithilfe von Lochkarten berechnen könnte. „Dieser Plan gilt heute als das erste Computerprogramm“, sagt Sybille Krämer.

Lovelace schlussfolgerte, dass die Maschine nicht nur mit Zahlen würde rechnen können, sondern dass die gespeicherten Daten beliebige Objekte darstellen könnten. „Sie erkannte, dass die Maschine mit Symbolen umgehen kann, die unterschiedlich interpretiert werden können“, erklärt Krämer. Lovelace entwickelte Ideen für die Anwendungsmöglichkeiten. Und sie verglich diese mit den 1805 entwickelten Jacquard-Webstühlen, die mithilfe von Lochkarten automatisch Muster webten: „Die ’Analytical Engine’ webt alge- braische Muster so, wie der Webstuhl von Jacquard Blumen und Blätter webt“, schrieb Ada Lovelace. Sie spekulierte, dass die Maschine eines Tages auch Musikstücke komponieren könnte. Doch die „Analytical Engine“ wurde nie gebaut. Charles Babbage veränderte seine Pläne ständig, bis ihm das Geld ausging.

Ada Lovelace blieb wissenschaftlich aktiv. Sie forschte vor allem zu Elektrizität und Magnetismus intensiv. Privat versuchte sie, ein sicheres Wettsystem für Pferderennen zu errechnen, doch sie scheiterte und verspielte ihr Vermögen und das ihres Mannes. „Sie nahm sich Dinge heraus, die zu ihrer Zeit Männern vorbehalten waren“, sagt Krämer. Ada Lovelace, die ihr Leben lang mit einer schwachen Gesundheit zu kämpfen hatte, erkrankte schwer in ihren letzten Lebensjahren und versuchte ihre Schmerzen mit Opium und Alkohol zu lindern. Mit 36 Jahren starb sie 1852 vermutlich an einem Krebsleiden.

Ada Lovelace war mit ihrer Vision von der Programmierbarkeit eines Universalrechners ihrer Zeit weit voraus. Doch ihre Erkenntnisse gerieten in Vergessenheit. Erst in den 1970er Jahren wurde die Wissenschaftlerin wiederentdeckt. 1980 nannte das US-Verteidigungsministerium eine Programmiersprache „Ada“. Inzwischen sind eine Reihe von naturwissenschaftlich-technischen Förderprogrammen für Mädchen und Frauen nach der Pionierin der Informationstechnik benannt, zum Beispiel das Ada-Lovelace-Projekt in Rheinland-Pflalz, ein Mentoring-Programm, das junge Frauen fördert, die die „MINT“-Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik studieren oder in diesen Bereichen Ausbildungsberufe erlernen.

Jenny Jörgensen

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