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Das Berliner Startup Stipendium unterstützt Gründerinnen und Gründer.

© unsplash/nik-macmillan

Startup Stipendium: Berliner Erfolgsmodell

Die Pilotphase des Startup Stipendiums endet mit einer positiven Bilanz.

Die Idee ist neu und hat Marktpotenzial, bis jedoch ein ausgereiftes Produkt daraus wird, gibt es noch viel zu tun. Für solche Fälle haben die Freie Universität Berlin, die Charité – Universitätsmedizin Berlin, der gemeinsame medizinische Fachbereich von Freier Universität und Humboldt-Universität zu Berlin, die Humboldt-Universität und die Technische Universität Berlin gemeinsam das Berliner Startup Stipendium geschaffen, das schnell und unbürokratisch vergeben werden kann.

Finanziert wird das Programm mit 855 000 Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Die Vorgabe: Hochschulen sollen Absolventen mit einem innovativen Gründungskonzept bei der Entwicklung eines Prototyps für den Markteintritt fördern, beraten und qualifizieren. Ende dieses Jahres laufen die letzten Stipendien der Pilotphase aus und die Universitäten ziehen Bilanz: 26 Gründungsvorhaben wurden auf den Weg gebracht. Pro Start-up sind ein bis vier Stipendien im Umfang von jeweils 1500 Euro monatlich über eine Laufzeit zwischen sechs und zwölf Monaten vergeben worden. Ein Drittel der 63 Einzelstipendien ging an Frauen. Zehn der 26 geförderten Teams haben während oder kurz nach der Förderung ein Unternehmen gegründet. Fünf Teams haben über ihre Universität bereits eine Anschlussfinanzierung erhalten. Die Entscheidungen über sechs weitere Anschlussfinanzierungen stehen noch aus.

Allein an der Freien Universität Berlin haben zehn Teams Stipendien erhalten. Zu den „Sprintern“ gehört die Turbit Systems GmbH, die mit ihrer Software und Sensorik Windenergieanlagen effizienter macht. Andere Start-ups mit forschungsintensiven Produkten oder Dienstleistungen sind dagegen „Langstreckenläufer“ und brauchen mehr Zeit bis zur Marktreife. Mithilfe des Berliner Startup Stipendiums konnten diese Teams einen Prototyp fertigstellen und damit eine der Voraussetzungen für eine weitere Finanzierung ihres Gründungsvorhabens erfüllen. Diese Etappe haben zum Beispiel die Gründerinnen von FLOURish erreicht, die mit einem schonenden Verfahren das Gluten in Getreideprodukten reduzieren.

Das Projekt soll fortgesetzt werden

Die Stipendien im Konsortium zu vergeben, hat viele Vorteile. „Wir bündeln die Verwaltung an der Freien Universität, damit nicht jede Einrichtung Ressourcen dafür einsetzen muss“, sagt Steffen Terberl, Leiter der Service-Einrichtung für Wissens- und Technologietransfer in der Abteilung Forschung der Freien Universität Berlin. „Die Teams sind zwar einer Hochschule zugeordnet, arbeiten dort mit Forschungsgruppen zusammen und können Labore nutzen, aber auch die Angebote der anderen Universitäten stehen ihnen offen – etwa die Prototypenwerkstatt der TU Berlin oder das medizinische Know-how der Charité.“

Dieses Erfolgsmodell würden die Partner gern fortsetzen. Gemeinsam haben sie das Konzept für das Berliner Startup Stipendium weiterentwickelt und einen neuen Antrag auf Fördermittel aus dem Europäischen Sozialfonds bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe gestellt. Die Lehren aus der Pilotphase sollen helfen, das Programm noch zu verbessern und dauerhaft zu etablieren. „Je intensiver wir die Gründerinnen und Gründer betreuen können, desto schneller kommen sie voran“, sagt Steffen Terberl.

Als Beispiel nennt er die Vermittlung von Kontakten zu Investoren und Industriepartnern. Deshalb ist in dem neuen Antrag neben den Ausgaben für mehr Stipendien auch zusätzliches Personal für die Betreuung der Stipendiaten vorgesehen. Zudem soll künftig genauer untersucht werden, wo sich die geförderten Start-ups ansiedeln, wie viel Umsatz sie machen und wie viele Arbeitsplätze sie schaffen. Wenn die Senatsverwaltung dem Antrag der Universitäten folgt, können die nächsten Stipendiaten am 1. April 2018 ihr Werk beginnen.

Flourish: Weniger Gluten im Weizen

Wind können Marlene Bruce und Miriam Boyer beim Arbeiten nicht gebrauchen, denn ihr Rohstoff ist Mehl. Gemeinsam haben sie ein Verfahren zur Reduktion von Gluten in Weizenteigen entwickelt. Denn Gluten, das Klebereiweiß in Getreidekörnern, meiden immer mehr Menschen aus gesundheitlichen Gründen, da es schwere Allergien verursachen kann. Zusammen mit Claudia Stosno und Julia Maier wollen die Wissenschaftlerinnen nun selbst glutenreduziertes Weizenbrot vertreiben oder das Rezept an Hersteller lizenzieren.

„Durch Fermentation entziehen wir dem Teig 98 Prozent des Glutens“, erklärt Miriam Boyer. Anders als bei üblichen Methoden leide die Qualität dabei aber nicht: Auch ohne Zusatzstoffe blieben Geschmack, Volumen und Konsistenz der Backwaren hochwertig. Sogar den sogenannten Klopftest hat das Brot aus dem Labor erfolgreich bestanden: Wenn man auf die Kruste klopft, ertönt der gleiche satte Ton wie bei den glutenhaltigen Verwandten.

Haben „FLOURish“ entwickelt: Claudia Stosno, Miriam Boyer, Marlene Bruce Vázquez del Mercado (v.l.).
Haben „FLOURish“ entwickelt: Claudia Stosno, Miriam Boyer, Marlene Bruce Vázquez del Mercado (v.l.).

© profund Innovation

Doch bis der leckere Prototyp aus dem Ofen kam, war es noch ein weiter Weg. Mehr als ein Jahr sind zwei der vier Gründerinnen mit dem Berliner Startup Stipendium gefördert worden. In dieser Zeit hat das Team experimentiert, eine Patentstrategie erarbeitet und enge Kontakte zu Partnern aus der Lebensmittelbranche aufgebaut, etwa zu einer Bäckereikette und zu einem Mühlenunternehmen.

Unterstützung kam von Gerhard Wolber, Professor für Pharmazeutische und Medizinische Chemie an der Freien Universität Berlin. Am Ziel ist das junge Unternehmen FLOURish aber noch nicht: „Bis das Verfahren an industrielle Fertigung angepasst ist, brauchen wir noch Zeit“, sagt Marlene Bruce. Daher hoffen die Gründerinnen, dass ihr Antrag auf ein EXIST-Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums bewilligt wird.

Turbit Systems: Effizientere Windenergie

„Wer schon einmal einen Windpark betrachtet hat, dem ist vielleicht aufgefallen, dass sich viele Windräder gar nicht drehen oder anders im Wind stehen als andere“, sagt Michael Tegtmeier, Gründer und Geschäftsführer der Turbit Systems GmbH. So sei es ihm auf einer Zugfahrt gegangen.

Als Physikstudent hat er sich aber nicht nur kurz über diese Beobachtung gewundert, sondern gleich eine Lösung erarbeitet. Betreut von Privatdozent Albert Lindinger und Professor Ludger Wöste vom Institut für Experimentalphysik der Freien Universität ging er der Frage nach, wie man die Effizienz bestehender Windanlagen mit geringem Aufwand steigern kann.

Wind besser nutzen: Alexander Patas, Michael Tegtmeier und Otto König (v.l.) von der Turbit Systems GmbH.
Wind besser nutzen: Alexander Patas, Michael Tegtmeier und Otto König (v.l.) von der Turbit Systems GmbH.

© Marion Kuka

Nach dem Masterabschluss wollte er seine Ideen zusammen mit Kollegen in die Praxis umsetzen. Das Team wandte sich an Profund Innovation, die Service-Einrichtung für Wissens- und Technologietransfer in der Abteilung Forschung der Freien Universität, und wurde mit dem Berliner Startup Stipendium gefördert. „Für die Bewerbung mussten wir keine langen Aufsätze schreiben“, erinnert sich Micheal Tegtmeier. „Die Organisation lief schnell und effizient.“

Sechs Monate später standen die Gründer auf eigenen Beinen. Ihr Produkt war reif für den Markt und stieß bei Betreibern und Herstellern von Windanlagen auf großes Interesse. Kein Wunder, denn das Start-up hat handfeste Verkaufsargumente: „30 Prozent aller Windräder sind nicht korrekt in den Wind ausgerichtet und können deshalb nicht volle Leistung bringen“, sagt Michael Tegtmeier. „Mit unserer Messsensorik und Software stellen wir sie perfekt in den Wind. So erzeugen sie ein bis zehn Prozent mehr Energie. Das rechnet sich.“ Anhand von Messdaten kann das Team außerdem Kosten reduzieren, indem es Probleme an Maschinenbauteilen frühzeitig erkennt.

Marion Kuka

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