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Umweltpolitik: Alles öko oder was?

Das Forschungszentrum für Umweltpolitik untersucht Kosten, Nutzen und Chancen nachhaltiger Politik.

Der Poker um die Kosten für den Atomausstieg geht in eine neue Runde: E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall überziehen die öffentliche Hand mit Klagen. Sie wollen Schadenersatz für den Atomausstieg, Rückzahlung der Brennelemente-Steuer, Schadenersatz für das AKW-Moratorium und Kompensation der Kosten für die standortnahe Zwischenlagerung von Atommüll. Es geht insgesamt um rund 20 Milliarden Euro. Und das Kostenrisiko des Atomausstiegs möchten sie auch am liebsten auf den Staat übertragen, weil ihre Rückstellungen wohl bei Weitem nicht reichen.

Der alte Vorwurf, mit dem sich die Umweltpolitik ständig konfrontiert sieht, scheint sich zu bewahrheiten: Der Schutz von Natur und Umwelt verursacht Kosten für Staat und Wirtschaft. „Dieses Argument begleitet die Umweltpolitik seit ihren Anfängen in den 1970er Jahren“, sagt Professorin Miranda Schreurs vom Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU) an der Freien Universität.

„Dabei ist das Gegenteil der Fall: Langfristig lohnt sich ökologisch verantwortliches Handeln auch ökonomisch, da Innovationen neue Absatzmärkte und damit Wachstum und Arbeitsplätze schaffen.“ So könne der von der Bundesregierung beschlossene Atomausstieg dazu führen, dass in Deutschland wichtige Techniken zur Stromspeicherung, Energieeffizienz und Elektromobilität entwickelt werden und daraus neue Märkte entstehen.

"In Berlin geschieht viel im Bereich Nachhaltigkeit"

Seit 1986 untersucht das Forschungszentrum die Probleme der Umwelt- und Energiepolitik, um einen wissenschaftlichen Blick auf Kosten, Nutzen und Chancen nachhaltiger Politik zu gewinnen. Mittlerweile arbeiten rund 30 Wissenschaftler und studentische Mitarbeiter zu Fragen der vergleichenden und internationalen Energie- und Umweltpolitikforschung. Hinzu kommen rund 50 Doktoranden aus mehr als 20 Ländern, etwa 40 Masterstudierende und die Studierenden des Bachelorstudiengangs Politikwissenschaft, die ihre Ausbildung teilweise im Forschungszentrum für Umweltpolitik absolvieren.

Die Schwerpunkte der Forschung liegen in der Klimapolitik, der Energiewende und der Endlagerung von Atommüll; aber das Forschungszentrum untersucht auch jüngere Themengebiete wie die Frage der politischen Beteiligung, der sozialen Bewegungen und der Biodiversität.

„Berlin ist sicher einer der spannendsten Standorte weltweit für die Forschung in der Umweltpolitik“, sagt Miranda Schreurs. „Es geschieht hier einfach unglaublich viel im Bereich Nachhaltigkeit.“ Wie zum Beweis zählt sie die Gremien auf, denen sie angehört: Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen des Bundesumweltministeriums, stellvertretende Vorsitzende des Netzwerkes der Europäischen Umwelt- und Nachhaltigkeitsräte und Mitglied der Enquete-Kommission Neue Energie für Berlin.

Im April 2011 – nach der Atomkatastrophe von Fukushima – war Miranda Schreurs zudem von Bundeskanzlerin Angela Merkel in die vorübergehend eingerichtete Ethik-Kommission „Sichere Energieversorgung“ einberufen worden. Von Vorteil sei auch, dass mehrere einschlägige Forschungseinrichtungen ihren Sitz in Berlin hätten, sagt die Wissenschaftlerin, beispielsweise das Ecologic Institut, die Organisation Adelphi, die Politikanalyse und Strategieberatung zum Thema Nachhaltigkeit anbietet, und das Öko-Institut. Darüber hinaus habe das Umweltbundesamt eine große Außenstelle in der Hauptstadt.

Die Wissenschaftler setzen bei ihrer Arbeit auf transdisziplinäre Forschungsansätze

Forschung, Beratung und Lehre bilden auf diese Weise eine starke Verbindung, etwa im Projekt Energy-Trans, das derzeit von der Helmholtz-Gemeinschaft gefördert wird: Vier Universitäten und fünf Forschungszentren untersuchen darin, wie die Energiewende umgesetzt wird, indem sie das Wechselspiel zwischen Technik und Nutzerverhalten, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen erforschen. Die Aufgabe des Forschungszentrums für Umweltpolitik ist es dabei, die Europäische Dimension der Energiewende herauszuarbeiten.

„In Zukunft wird die Umsetzung von Klima- und Energiepolitik auf lokaler und regionaler Ebene eine zunehmend wichtigere Rolle spielen“, ist sich die Leiterin des Forschungszentrums sicher. „Unsere Aufgabe als Wissenschaftler ist es, diese Prozesse zu verstehen und zu begleiten“, sagt die gebürtige US-Amerikanerin. Dabei seien die verzweigten internationalen Netzwerke der Freien Universität eine große Hilfe.

Zunehmend setzen die Wissenschaftler bei ihrer Arbeit auch auf transdisziplinäre Forschungsansätze. „Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften werden dafür enger zusammenarbeiten müssen“, ist Schreurs überzeugt.

Noch arbeite die Umweltpolitik- und Nachhaltigkeitsforschung in Berlin sehr verstreut und werde deshalb in der Öffentlichkeit nicht ausreichend wahrgenommen. „Vielleicht kann man die Aktivitäten bald in einem Zentrum für Nachhaltigkeitspolitik bündeln“, sagt Professorin Miranda Schreurs: „In einem virtuellen Zentrum wäre dies sogar recht kostengünstig umsetzbar.“ Fast 30 Jahre nach Gründung eines wissenschaftlichen Zentrums für Umweltpolitik an der Freien Universität wäre das ein weiterer Meilenstein in der Forschung für eine lebenswerte Zukunft.

Mehr im Internet: www.fu-berlin.de/ffu

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