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Brause-Marken: Cola-Fläschchen

Zwei Marken hatten sich die Welt geteilt – Pepsi und Coca. Vorbei. Die Konkurrenz ist bunt geworden: Kneipenwirte, Ostalgiker, Puristen und Umweltschützer brauen ihre eigene braune Brause. Mit Erfolg.

Manchen reicht es schon, dass Coca-Cola den Weihnachtsmann zum Popstar gemacht hat. Andere finden es alles andere als okay, dass es nur ein einziges Wort auf der Welt gibt, das noch bekannter als „Coca-Cola“ ist: „ok“. Wieder andere hassen die braune Brause einfach dafür, die klebrig gewordene Globalisierung zu sein. Und: Immer mehr Menschen sehen die Sache differenzierter – und werfen dem amerikanischen Konzern Umweltsünden, Erpressung oder rassistische Diskriminierungen vor.

Als bekannt wurde, dass Coca-Cola die Unterdrückung von Gewerkschaften in Mittelamerika unterstützte, organisierten US-Universitäten einen Konsumboykott. Die deutsche Gewerkschaft Verdi rief 2004 dazu auf, keine Coca-Cola mehr zu kaufen. Im letzten Sommer beschloss das Studierendenparlament der Uni Münster dasselbe. Die Linke in Brandenburg verkündete kürzlich, Produkte des Konzerns weder zu kaufen noch auf Veranstaltungen auszuschenken. Der Bund der deutschen katholischen Jugend bittet seine Mitglieder dazu, auf Coca-Cola zu verzichten. „Der Bürger entdeckt den Kaufakt als Stimmzettel, den er immer politisch anwenden kann. Im Boykott verbindet und verbündet sich derart die aktive Konsumgesellschaft mit der direkten Demokratie“, beobachtet der Soziologe Ulrich Beck in seinem neuen Buch „Weltrisikogesellschaft“. Es scheint wahr zu werden, was Naomi Klein bereits 1998 in „No Logo“ schrieb: „Wenn immer mehr Leute die dunklen Geheimnisse des globalen Markennetzes entdecken, wird ihre Empörung der Antrieb für eine gewaltige Welle des Widerstandes sein.“

Gewaltig ist die Welle nicht. Vielleicht entsteht sie nicht einmal aus Widerstand, sondern bloß aus einem sanften Unbehagen gegenüber den wachsenden Global Playern. So oder so: Seit einiger Zeit tauchen im ganzen Land kleine, neue Cola-Marken auf. Bislang sind sie nur Zwerge im Schatten des Giganten. Sicher steht hinter ihnen auch nicht jene antiamerikanische Haltung, die der „Mecca-Cola“ im Zuge des Irak-Krieges zu enormer Popularität in der arabischen Welt verhalf – viele der neuen Loka-Colas geben sich nicht einmal explizit politisch. Und doch wollen sie alle eine Alternative zu den Konzernen Coca-Cola und Pepsi sein.

Dass hinter dem Phänomen mehr als nur die Frage nach besserem Geschmack oder schickeren Etiketten verbirgt, zeigt sich am deutlichsten bei der Hamburger „Premium-Cola“. Zur „Interessengruppe Premium“ schloss sich ursprünglich eine Gruppe enttäuschter Afri-Cola-Fans zusammen, als deren Lieblings-Cola 1998 an die Mineralbrunnen Überkingen-Teinach AG verkauft wurde – die die Afri-Rezeptur mit 60 Prozent weniger Koffein, aber deutlich mehr Zucker an den Massenmarkt anpasste. Damals versuchten die Mitglieder, die Mineralbrunnen-Manager umzustimmen, unter anderem mit einem Wasserpistolenüberfall.

Als selbst dieser Versuch vergeblich blieb, begann die Gruppe 2002 damit, ihre Lieblings-Cola selbst herzustellen – auf Basis des Originalrezepts und zunächst nur für den Eigenbedarf. In Hamburgs Szenebars setzte sich „Premium Cola“ bald durch, dennoch beschloss die Gruppe, die Marke weiterhin als Non-Profit-Projekt zu führen, dem es weder um irgendeinen Kultstatus noch um kommerzielle Aspekte geht: Alle Beteiligten führen die Marke als eine Art Hobby nebenher. Im Kollektiv versuchen sie, eine politisch korrekte Cola zu brauen. Zutaten, Lieferanten, Abfüller und Händler werden nach den Überzeugungen des Kollektivs ausgewählt. Die Flasche mit dem logofreien Etikett wird in Läden, Clubs und Bars verkauft, die vielleicht keine Scannerkasse, dafür aber eine ähnliche Philosophie haben. Und: Alle Beteiligten entscheiden gemeinsam, auch darüber, was mit Einnahmen passiert. „Alle dürfen alles wissen, sehen und prüfen. Fehler passieren, werden zugegeben und geregelt, so einfach geht das“, heißt es auf der Homepage. Und: „Den Ablauf verstehen wir selbst nicht so genau; funktioniert so ähnlich wie bei Linux.“

Etwas geschäftstüchtiger gehen es die Erfinder von „Fritz-Kola“ an. 2003 entwickelten zwei Hamburger Studenten eine Limonade, die der Allerwelts-Cola etwas „Kräftigeres“ entgegensetzen sollte – die maximal erlaubte Menge Koffein nämlich. Inzwischen dürfte „Fritz“ die bekannteste der neuen Colas sein. Immerhin wird der einst nur als „neue Cola für Hamburg“ in hübsche Langhals-Flaschen gefüllte Softdrink in mehr als 100 Bars, Clubs, Cafes, Kinos und Feinkostläden in der ganzen Republik verkauft.

Dass auch „Hausmarke“, eine Cola mit Kaffeearoma und der zulässigen Höchstmenge an Koffein, von einem Studenten entwickelt wurde, der aus Hamburg kommt, ist sicher kein Zufall: Die dortige Clubszene steht in dem Ruf, traditionell ein bisschen intellektueller, gesellschaftskritischer und linkspolitischer zu sein. Nicht umsonst hat bereits die „Bionade“ in Hamburg ihren Durchbruch erlebt.

Doch in Restdeutschland entstehen ebenfalls neue Colas. Im Steigerwald zum Beispiel vertreibt die Brauerei Loscher aus Münchsteinach „Schorschi-Cola“ mit einem nostalgisch anmutenden Etikett, das ein Jugendfoto des längst verrenteten Brauereichefs Georg Loscher ziert. Anders als jene Brauereien, die ihre eigenen Colas nur im Landkreis ausliefern, setzt „Schorschi-Cola“ auch auf den Internet-Vertrieb. Allerdings s mag gerade das ein Grund sein, Cola aus Hamburg oder Münchsteinach zu trinken: Die begrenzte Verfügbarkeit macht aus der Massenlimo einen exklusiven Tropfen.

Die Gegen-Globalisierung bleibt nicht auf Hamburg-Eimsbüttel beschränkt. Immer mehr Menschen entdecken, dass nicht allein körperliche Wellness zu wahrem Wohlbefinden führt, sondern auch der Geist moralisch befriedigt sein muss, steigt die Nachfrage nach ethisch korrekten T-Shirts, fair gehandeltem Kaffee und Gummibärchen aus artgerechter Haltung an. „LOHAS“ nennt die Werbeindustrie die neue Zielgruppe, der soziale Gerechtigkeit und der gewissenhafte Umgang mit natürlichen Ressourcen wichtig ist. Der „Lifestyle of Health and Sustainability“ hat in England und Amerika längst eigene Plattformen wie das erfolgreiche „Ethical Consumer“-Magazin.

Es war also nur eine Frage der Zeit, bis vor kurzem die erste Fairtrade-Cola auf den Markt kam. Mit „Costa Rica Cola“ engagiert sich der Hersteller El Puente gegen „die negativen Effekte der Globalisierung“: Rohrzucker und alle weiteren Zutaten werden den Bauern zu fairen Preisen abgekauft. Korrekt gebraut werden auch die Colas aus dem Bio-Laden. „Voelkel Bio Zisch Guarana Cola“ süßt Traubendicksaft aus biologischem Anbau. Der Safthersteller Perger hat für seine Bio-Cola „P-Seven“ Rohrzucker durch Dattel- und Weizensirup ersetzt. Und die koffeinfreie, aber trotzdem etwas herb schmeckende „Honey Saps Cola“ von Neumarkter Lammsbräu wird nur mit Honig gesüßt – riecht sonderbar, schmeckt aber nicht übel.

Übrigens: Nein, es ist nicht absurd, dass Bio-Produzenten die künstliche Plörre imitieren: Cola enthält Extrakte und Destillate aus Kolanuss-Samen, Kakao, Ingwer, Limetten, Zitronenschalen, Kaffee, Mate, Mandarinenblättern, Johannisbrot, Bitterorangen, Cocablättern, Zitwerwurzel, Holunderblüten, Mazisblüten, Kalmus und Mimosenbaumrinden. Den Ruf, ein Fleischstück löse sich in Cola in wenigen Stunden auf, hat die Limonade der enthaltenen Phosphorsäure zu verdanken. Was allerdings gern verschwiegen wird: Das passiert mit Apfelsaft und jedem anderen säurehaltigen Getränk genauso.

Den Händlern kommt der Trend zur anderen Cola nur recht: Weil sie Coca-Cola oft nur teuer einkaufen können, sie die Flaschen aber als Lockvogelangebote wieder günstig verkaufen, geht der Gewinn gegen Null. Discounter haben deshalb schon lange Billig-Colas im Programm, die auch unter Kennern Freunde finden: So nahmen die Besessenen von www.colatest.com die Cola von Spar in ihre Bestenliste auf. Und dass sich kleinere Marken durchaus etablieren können, beweist ein Blick nach Thüringen: Die ostdeutsche „Vita-Cola“ hatte 2006 einen Marktanteil von 37,9 Prozent, während Coca-Cola es nur auf 22,7 Prozent brachte.

Wer sich bei all den neuen Cola-Sorten fragt: Ja, schmeckt das denn?, dem sei gesagt: Am Ende ist Geschmack nur eine Frage der Gewohnheit. Der herbe Geschmack der so beliebten „Vita-Cola“ erinnert viele West-Kunden nur an bittere Medizin. So ekelhaft vielen der Geschmack von Cola-Light erscheint – wer einmal damit angefangen hat, findet nur schwer zurück zur normalen Cola.

Und das ist vielleicht das wichtigste, wenn es um die neue Konsumentenbewegung geht: Soll der Cola-Konsum tatsächlich einen politischen Effekt haben, darf er nicht Mode bleiben, sondern muss Routine werden. „Premium-Cola“ tut gut daran, sich dagegen zu wehren, nur eine Kult-Brause zu sein.

Harriet Köhler

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