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Kontinuität, gute Produkte und ein festes Menü: Lode und Stijn in Kreuzberg

© Lode und Stijn / promo

Von Tisch zu Tisch- die Restaurantkritik: Lode & Stijn

Eine gute Küche auf der Suche zwischen neuer Regionalstilistik und persönlichen Inspirationen.

Ist ein Restaurant erst einmal etabliert, muss es normalerweise ohne öffentliches Bohei auskommen, denn gerade in Berlin warten ja hinter einer Eröffnung meist schon zehn weitere. Und wie die Dinge so laufen, sind nicht viele nach Jahren einen neuen Blick wert – uns Journalisten muss meist der gelegentliche Hinweis genügen, es sei noch alles beim Alten.

Kontinuität zahlt sich aus
Es ist also ein gutes Zeichen für ein Restaurant, wenn es kontinuierlich Interesse wecken kann, zumal ohne Personalwechsel. Remi Zuylen und Lode van Stijn, die beiden jungen, in der Top-Gastronomie erfahrenen Holländer, stehen in ihrem Kreuzberger Restaurant konstant am Herd, und seit der Eröffnung vor knapp vier Jahren ist wenig passiert, sieht man vom jüngst abgeschlossenen Umbau ab, dem die Bar zum Opfer fiel – mehr Platz für mehr Gäste also.
Das Reglement ist immer noch sehr streng. Das Fünf-Gang-Menü (75 Euro) ist Pflicht, und wir fanden es schon ein wenig kurios, dass dazu ein weiteres Gericht angeboten wurde, aber nur zusätzlich – ins Menü eintauschen durften wir es nicht, um die ausgetüftelte Dramaturgie nicht zu stören, wie es hieß. Gastfreundlich ist das nicht, und kurioserweise fanden wir das dann also zusätzlich gelieferte Zanderfilet vom Grill mit Holunderblüten-Beurre-blanc (19 Euro) herausragend, den besten Gang. Saftig gegartes Filet, perfekte Würzung, in der Sauce die richtige Balance von Leichtigkeit und aromatischer Intensität – so geht das.

Subtile Finesse, leider nicht immer auf den Punkt
Die anderen Gänge waren bei aller Kunstfertigkeit weniger auf den Punkt. Aber erst einmal die Happen vornweg: Von Anfang an gibt es hier immer die würzigen „Bitterballen“, runde, in knusprigem Teig rund ausgebackene Kalbfleischkroketten mit Senfmayonnaise, immer köstlich. Die Kombination von pochierten Austernstücken und Chicoree zeigte subtile Finesse, und das geröstete Roggenbrot mit Makrele, aufgebaut wie ein dänisches Smörrebröd, spannte gekonnt Kontraste auf, ein Gaumenreiz, den wir später ein wenig vermissten. Sehr Ton in Ton gemalt waren die Roten Beten mit Radicchio, Haselnusstücken und Frischkäse sowie einer Vinaigrette aus den Beten, ein Gericht, das in den Proportionen nicht richtig funktionierte, weil alles in gleichen Teilen separat angehäuft war und die Säure ausschließlich vom Käse kam. Ausgezeichnete „Ballerina“-Pellkartoffeln dominierten den Teller mit süßlicher Zwiebelcreme, milder Koriandersauce und Kräutern; dass auch Stücke von Tintenfisch eingeflochten waren, werteten wir als bewussten Bruch des Regionalstils, nötig schienen sie uns nicht.

Sehr gute Weinbegleitung abseits des Üblichen
Gut ausgedacht und gelungen umgesetzt war hingegegen der Wirsingkohl mit Etivaz-Käse unter einem Nudelblatt aus Kastanienmehl mit gebackenem Salbei. Beim Perlhuhn aus der Prignitz, einer sehr kleinen Portion, verlässt sich die Küche auf die ausgezeichnete Fleischqualität und gart die Brust nur halb durch – das ergibt aber eine weiche, zähe Konsistenz, die keinen geschmacklichen Vorteil bringt. Diskrete, stimmige Begleitung: zwei Mini-Möhren, Steckrübenjus und Leinöl. Ein Volltreffer wurde draus, weil der vorzügliche Sommelier Ole Ortmann ein Glas roten Côtes du Jura des Traditionalisten Jean Bourdy einschenkte, der die sanften Aromen des Tellers auf filigrane Art genau richtig stützte.

Beim Dessert setzte die Küche dann noch einmal richtig kräftige Akzente mit herbem Mandarinensorbet, Kumquats, einer halbgetrockneten Meringue („Pavlova“), Joghurtcreme und etwas Olivenöl fürs Mundgefühl, ein strahlender Abschluss. Hier kommt also ausgezeichnetes Handwerk zusammen mit einer Stilistik, die das Nova-Regio-Dogma ernst nimmt, dann aber doch auch, suchend, durchbricht. Man sollte das auch in den kommenden Jahren genau verfolgen.

Lode & Stijn, Lausitzer Str. 25, Kreuzberg, Tel. 65 21 45 07, Di–Do ab 18.30, Fr/Sa ab 18 Uhr

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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