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Gesundheit: Alkoholsucht: Auf Entzug - Hilfe vom Hausarzt

Wenn es um Drogen geht, ist allzu oft von Ecstasy oder Kokain die Rede. Dabei wird leicht übersehen, dass es die Droge Alkohol ist, die am häufigsten zur Abhängigkeit führt und die meisten gesundheitlichen Probleme sowie mit jährlich rund 40 Milliarden Mark die höchsten Kosten verursacht.

Wenn es um Drogen geht, ist allzu oft von Ecstasy oder Kokain die Rede. Dabei wird leicht übersehen, dass es die Droge Alkohol ist, die am häufigsten zur Abhängigkeit führt und die meisten gesundheitlichen Probleme sowie mit jährlich rund 40 Milliarden Mark die höchsten Kosten verursacht. Zudem fordert die Volksdroge hier zu Lande jedes Jahr etwa 40 000 Tote, auch als indirekte Folge, etwa durch Alkohol am Steuer, hieß es jetzt auf einem Symposium in Gießen.

Knapp zwei Millionen Menschen leiden in Deutschland an milden bis ernsten Entzugserscheinungen aufgrund übermäßigen Alkoholkonsums, sagt Bernd Gallhofer, Leiter der Psychiatrischen Klinik der Justus-Liebig Universität Gießen. Jeder dritte Betroffene benötige ärztliche Behandlung und etwa jeder Fünfte müsste sich eigentlich einer stationären Therapie unterziehen.

Obwohl Alkohol in unseren Breiten seit Jahrtausenden genossen wird, sind die Gründe weitgehend unklar, die den einen zum maßvollen Genusstrinker und den anderen zum abhängigen Kranken werden lassen. Zur Risikogruppe zählt für Gallhofer jeder, der regelmäßig Alkohol zu sich nimmt. "Der Übergang in die Sucht lässt sich aber nicht mit einer bestimmten Trinkmenge definieren", erklärt Rainer Spanagel vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit der Universität Heidelberg. Sicherlich spielen neben der genetischen Veranlagung auch Umwelteinflüsse, beispielsweise die frühe Gewöhnung an Alkohol in Elternhaus oder Freundeskreis, eine wichtige Rolle.

So unmerklich man in die Sucht abgleitet, so beschwerlich ist der Versuch der Umkehr. Der Königsweg zur Entwöhnung ist noch nicht gefunden. Totale Abstinenz, wie sie die Anonymen Alkoholiker propagieren, braucht viel Willenskraft. Dennoch fordern die meisten medizinischen Entzugsprogramme den lebenslangen, völligen Verzicht auf Alkohol. Es gibt jedoch in Großbritannien, Australien oder Amerika und neuerdings in Deutschland auch Versuche, vom Alles-oder-Nichts-Prinzip loszukommen. Peu à peu sollen aus maßlosen Säufern kontrollierte Konsumenten werden.

Tabu beim Arztgespräch

Doch so löblich diese Initiativen auch sind, sie können nur eine verschwindend kleine Zahl Alkoholkranker aufnehmen. Die übrigen Betroffenen suchen zwar auch immer wieder einen Arzt auf, allerdings stehen dabei Suchtprobleme nicht im Vordergrund. "Das Thema ist tabuisiert", sagt Peter Arbter, praktischer Arzt aus Krefeld und Suchtbeauftragter der Ärztekammer Nordrhein. Anstatt über das eigentliche Problem Alkohol zu sprechen, gehe es beispielsweise um Magenschmerzen oder Arbeitsunfähigkeit. Wie eine Untersuchung der Universität Lübeck zeigt, hat etwa jeder neunte Patient, der eine Allgemeinpraxis aufsucht, Probleme mit Alkohol.

Die Ärzte verhalten sich passiv, weil sie glauben, im hektischen Praxisalltag nicht angemessen beraten zu können. Dabei muss nach den Feststellungen der Lübecker Mediziner der Aufwand gar nicht groß sein. Schon kurze Gespräche können zur Änderung des Trinkverhaltens motivieren. In der Studie mit 700 Teilnehmern erhielt die Hälfte der Patienten zwei zehn- bis 15-minütige Beratungen. Den übrigen Probanden wurde lediglich eine Broschüre mit allgemeinen Gesundheitsinformationen, etwa zu Ernährung, Nikotin und Alkohol ausgehändigt. Nach einem Jahr tranken die Patienten aus der Kurzinterventions-Gruppe deutlich weniger Alkohol als die Teilnehmer der Vergleichsgruppe. Zudem mussten die Probanden, die vom Arzt beraten wurden, seltener das Krankenhaus aufsuchen.

Zur Entgiftung in die Klinik

Schwieriger ist die Behandlung von Patienten, die zunächst eine Entgiftung benötigen - eine Therapie, die wegen schwerer Nebenwirkungen und der besseren Kontrolle besser in einer Klinik durchgeführt wird. In neun bis zwölf Tagen werden alle Spuren des Alkohols ausgeschwemmt, die Entzugssymptome medikamentös behandelt. Das Entzugsmittel sollte selbst kein "Suchtpotenzial" besitzen, betont Gallhofer. Gut geeignet sei "Tiaprid", ein Wirkstoff, der auch bei nervlich bedingten Bewegungsstörungen, so genannten Tics, verwendet wird.

Eine Studie unter Gallhofers Leitung, an der auch das Psychiatrische Krankenhaus in Marburg beteiligt war, habe "ausgezeichnete Ergebnisse für die weltweit zur Alkoholtherapie zugelassene, hier zu Lande aber kaum bekannte Substanz" gebracht, die in Kombination mit "Carbamazepin", einem Antiepileptikum, verwendet wurde. Die körperlichen Symptome wie Kreislaufprobleme, Atembeschwerden oder starkes Schwitzen seien wesentlich milder ausgeprägt als bei den herkömmlichen Entzugsmedikamenten. Deshalb könne schneller mit der Motivationstherapie begonnen werden, für die sonst oft zu wenig Zeit bleibe.

Doch die Kliniken können jährlich nur etwa 40 000 Patienten aufnehmen, für den großen Rest behandlungsbedürftiger Alkoholkranker sind ambulante Angebote notwendig. Oft sind die Betroffenen ja auch nicht bereit, Familie oder Arbeitsplatz längere Zeit zu verlassen. Bei leichteren Fällen ist Gallhofer zufolge die Entgiftung auch ambulant möglich, sofern Angehörige den Patienten unterstützen könnten. Nachdem der Alkoholkranke mit Therapeuten die Ursachen seines übermäßigen Trinkens aufgearbeitet habe, müsse er die Eigenverantwortung für sein Handeln übernehmen, sagt Praktiker Arbter. Um ambulante entgiften zu können, brauche man ein Netzwerk aus Allgemein- und Schwerpunktpraxen, Suchtberatungsstellen, Entgiftungsstationen und Fachambulanzen. Die Maßnahmen solle der Hausarzt koordinieren.

Paul Janositz

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