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Gesundheit: BSE vom Menschen auf das Rind übertragen? Britische Wissenschaftler: Menschliche Überreste könnten in Tiermehl gelangt sein

Vor zehn Jahren wurden in Großbritannien die ersten Fälle des Rinderwahnsinns BSE beobachtet. Die bis dahin bei Rindern nicht aufgetretene Krankheit wurde auf Tiermehl zurückgeführt, das mit Erregern der Traberkrankheit der Schafe (Scrapie) verunreinigt war.

Vor zehn Jahren wurden in Großbritannien die ersten Fälle des Rinderwahnsinns BSE beobachtet. Die bis dahin bei Rindern nicht aufgetretene Krankheit wurde auf Tiermehl zurückgeführt, das mit Erregern der Traberkrankheit der Schafe (Scrapie) verunreinigt war. Demnach war BSE eine Krankheit, die vom Schaf auf das Rind übertragen wurde. Jetzt aber warten die britischen Wissenschaftler Alan Colchester von der Universität von Kent und Nancy Colchester von der Universität von Edinburgh im Fachblatt „Lancet“ mit einer neuen These auf. Sie sagen: Der Mensch, nicht das Schaf, ist der Ursprung von BSE.

Nach Ansicht der Forscher muss zudem angenommen werden, dass Überreste von Menschen an Rinder verfüttert wurden. Sie spekulieren, dass menschliche Überbleibsel auf dem indischen Subkontinent zusammen mit Tierkadavern gesammelt, nach Großbritannien exportiert und zu Tiermehl verarbeitet wurden. Allein in den 1960er und 70er Jahren wurden Hunderttausende Tonnen an Fleischabfällen und Knochen nach Großbritannien eingeführt und weitgehend unkontrolliert zu Dünger oder Tiermehl verarbeitet.

Wie aber kommen menschliche Überreste in das Tiermehl? Alan und Nancy Colchester stellen eine ebenso brisante wie makabre Überlegung an. Es könnte sich um Leichen handeln, die einer im Hinduismus gründenden Sitte folgend in Flüsse geworfen werden, zum Beispiel in den Ganges. 2004 fand eine Umweltschutzgruppe innerhalb von nur zwei Tagen 60 Leichen auf einem zehn Kilometer langen Abschnitt des Ganges. Und mehrfach wurde vom indischen Subkontinent berichtet, dass menschliche Überreste, etwa Knochen, ihren Weg in für den Export bestimmte Fleisch- und Knochenabfälle gefunden hatten.

Es könnte also sein, dass ansteckendes Gewebe eines Menschen, der an einer schwammartigen und übertragbaren Hirnkrankheit wie der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit litt, auf diese Weise in Tiermehl gelangte und Rinder infizierte. Aber wie wahrscheinlich ist so eine Annahme? In einem Kommentar in der gleichen Ausgabe des „Lancet“ warnt Susarla Shankar vom Nationalen Institut für geistige Gesundheit im indischen Bangalore vor voreiligen Schlüssen: „Bis jetzt wurde nicht von einem einzigen Fall von BSE oder Scrapie in Indien berichtet, mit Ausnahme eines wohl importierten Scrapie-Falls im Himalaya-Vorgebirge.“ Dennoch müsse der Theorie „sorgfältig und mit Eile“ nachgegangen werden.

Wichtiger als die Verbindung nach Indien ist für die Forscher die Frage, ob BSE vom Menschen auf das Tier kam. Sie schlagen vor, zu testen, ob man menschliche schwammartige Hirnkrankheiten auf das Rind übertragen kann.

Gescheitert sind Versuche, Rinder über den Darm mit Scrapie zu infizieren. Vor allem aus diesem Grund stellen Alan und Nancy Colchester die gängige Schaf-Hypothese als Anfang von BSE in Frage. Auch eine BSE-Entstehung „aus dem Nichts“ scheidet für sie aus. Die meisten Menschen erkranken aus heiterem Himmel an Creutzfeldt-Jakob, ohne das eine Infektion vorausging oder die Krankheit in der Familie auftrat. Bei Rindern ist das offenbar nicht der Fall.

„Eine gut durchdachte und interessante Hypothese“ nennt der BSE-Forscher Michael Baier vom Robert-Koch-Institut in Berlin die Überlegungen der Wissenschaftler. „Sie würde erklären, warum England von BSE getroffen wurde, nicht aber andere Länder, in denen genauso Tiermehl an Wiederkäuer verfüttert wurde.“ Allerdings dürfte es schwierig sein, die Annahme zu überprüfen. Denn die tödliche Creutzfeldt-JakobKrankheit ist auch in Indien selten und tritt vielleicht jedes Jahr bei 150 Menschen auf. Aber Baier gibt noch etwas anderes zu denken. Mittlerweile mehren sich die Hinweise darauf, dass BSE in Großbritannien andere Ursprünge hatte als in Frankreich und Italien. „Vielleicht ist alles also noch viel komplizierter“, sagt Baier.

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