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Gesundheit: Deutsche Staatsanwälte in britischen Labors

Von Adelheid Müller-Lissner Eigentlich ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit dem Stammzellenbeschluss des Deutschen Bundestags ganz zufrieden. Eigentlich.

Von Adelheid Müller-Lissner

Eigentlich ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit dem Stammzellenbeschluss des Deutschen Bundestags ganz zufrieden. Eigentlich. Allerdings ist da ein Punkt, der den Forschern noch Kopfschmerzen bereitet: Nach einem noch eilig eingefügten Änderungsantrag sollen deutsche Forscher bestraft werden können, wenn sie im Ausland an menschlichen embryonalen Stammzellen arbeiten.

Angefangen hatte alles vor ziemlich genau einem Jahr. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) machte zu jener Zeit mit einem Stufenplan zur Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen Furore. In der ersten Stufe sollten die Möglichkeiten zum Import von Stammzelllinien genutzt werden, die im Ausland aus „überzähligen" Embryonen nach In-Vitro-Befruchtungen gewonnen wurden, so der neue Vorschlag. Zwar müsse die Verwendung von adulten Stammzellen, die aus verschiedenen Geweben gewonnen werden, Vorrang haben. Doch wenn zugleich auch mit embryonalen Stammzellen geforscht werde, dann könnten sich Entwicklungen ergeben, von denen „sowohl potenzielle Patienten als auch Wissenschaftler in Deutschland" nicht ausgeschlossen werden sollten.

Die DFG wollte mit ihrem Vorstoß den großen Fortschritten in der Stammzellforschung Rechnung tragen, die sich seit ihren vorangegangenen Verlautbarungen ergeben hatten. Ein wichtiges Anliegen: Deutsche Forscher sollten in internationalen Gremien mitarbeiten, die über Stammzellforschung und Standardisierung bei der Errichtung von Stammzellbanken beraten.

„Werden wir zu Zauberlehrlingen, die Entwicklungen in Gang setzen, deren Folgen wir weder überblicken noch beherrschen können?", fragte darauf hin besorgt Bundespräsident Johannes Rau im Mai 2001. „Bei uns in Deutschland darf an Embryonen nicht geforscht werden", stellte er klar.

Der Hauptausschuss der DFG vertagte kurz darauf den Antrag des Bonner Neurowissenschaftlers Oliver Brüstle auf Unterstützung eines Forschungsprojekts im Rahmen des Schwerpunktprogramms Stammzellforschung, für das er embryonale Stammzellen aus einem israelischen Labor importieren wollte. Allerdings war in den „Empfehlungen" schon klargestellt worden, dass embryonale Stammzelllinien nicht mit Embryonen gleichzusetzen sind: Da sie keine „Alleskönner" mehr sind, aus denen ein neues Lebewesen entstehen könnte, fällt ihr Import nicht unter das Embryonenschutzgesetz. Obwohl man bei der DFG kein rechtliches Problem in Brüstles Anliegen sah, wollte man mit der Entscheidung warten, bis der Gesetzgeber sich klar geäußert hatte.

„Froh und zufrieden“

Nun hat das Stammzellimportgesetz im Bundestag eine große Mehrheit gefunden, und Bärbel Friedrich versichert, darüber sei man „froh und zufrieden". „Nach allem, was wir an Widerstand und auch an persönlicher Feindseligkeit erlebt haben, seit wir uns zu der Forschung mit embryonalen Stammzellen bekannt haben, empfinden wir das als große Leistung einer Gruppe von Polikern aus mehreren Fraktionen."

Doch sie fügt gleich hinzu: „Andererseits wäre es aber auch unwahrhaftig, wenn wir nicht auf Schwachstellen hinweisen würden." Damit meint sie nicht das strenge Prüfverfahren, dem jeder geplante Import unterworfen wird. Auch die Stichtagsregelung, die die Einfuhr von Stammzelllinien verbietet, die erst nach dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden, sei „zwar aus wissenschaftlicher Sicht nicht weise", sei jedoch unter den Voraussetzungen nicht zu umgehen gewesen. „Für die Grundlagenforschung gibt es sicher heute Stammzelllinien, die verfügbar und auch erschwinglich sind."

Allerdings müsse man einkalkulieren, dass die Lieferanten dieser Zelllinien im Rahmen von „Material transfer agreements" auch ihre materielle und intellektuelle Beteiligung an Ergebnissen einfordern können. „Auch auf dieses Hindernis, das gegen den Import spricht, haben wir in unserer Stellungnahme schon hingewiesen", erinnert die Vizepräsidentin für Biowissenschaften.

In den USA, wo nur öffentlich geförderte Forschungsprojekte strengen Auflagen unterliegen, wird jetzt darüber diskutiert, ob die von Präsident Bush genannten 78 Zelllinien unter diesen Umständen wirklich brauchbar und verfügbar sind. „Doch das will ich nicht dramatisieren. Wir sind sehr froh, dass die Versuche, die schon vor einiger Zeit beantragt wurden, voraussichtlich bald anlaufen können."

Sorgen macht der DFG jedoch die Unsicherheit über die Strafvorschriften des Gesetzes. Ein Änderungsantrag, der einen Tag vor der abschließenden Beratung vorgelegt und vom Parlament angenommen wurde, könnte dazu führen, dass deutsche Forscher bestraft werden, wenn sie im Ausland mit embryonalen Stammzellen arbeiten. Anstiftung und Beihilfe zu einer nach deutschem Recht strafbaren Herstellung der Zellen steht demnach unter Strafe.

Bisher sei man davon ausgegangen, dass es nach dem Embryonenschutzgesetz rechtlich unbedenklich ist, wenn Forscher während eines Auslandsaufenthalts mit menschlichen embryonalen Stammzellen arbeiten, solange sie sie nicht anschließend im Handgepäck mitnehmen. Nun befürchtet sie große Unsicherheit bei den Forschern. Darf ein deutscher Forscher an internationalen Projekten teilnehmen, in deren Rahmen auch an embryonalen Stammzellen geforscht wird, die nach dem Stichtag gewonnen wurden? Wie werden Gastwissenschaftler behandelt, die auf diesem Gebiet tätig sind - falls sie unter diesen Bedingungen überhaupt in deutsche Laboratorien kommen?

Besonders folgenschwer wäre nach Ansicht der DFG, wenn durch solche Unsicherheiten internationale Kooperationen beeinträchtigt würden. Während der Bundestagsdebatte hatte es um diesen Punkt einigen Wirbel gegeben. „Wir haben nun gegenüber den Forschern, die wir betreuen, die Verpflichtung, uns um diese diffizilen rechtlichen Fragen zu kümmern", sagt Friedrich. „Hier besteht Klärungsbedarf, und um dem nachzukommen, haben wir ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben."

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