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Gesundheit: Die Deutschen und die Tschechen Ein Vermittler: Zum Tode des Historikers Ferdinand Seibt

Das deutschtschechische Verhältnis gehört zu den schwierigen Nachbarschaften - die politischen Beziehungen legen davon Zeugnis ab, noch immer, trotz aller Normalisierungen. Der Historiker Ferdinand Seibt, der am Montag gestorben ist, war einer der wichtigen Vermittler zwischen den beiden Ländern und Kulturen.

Das deutschtschechische Verhältnis gehört zu den schwierigen Nachbarschaften - die politischen Beziehungen legen davon Zeugnis ab, noch immer, trotz aller Normalisierungen. Der Historiker Ferdinand Seibt, der am Montag gestorben ist, war einer der wichtigen Vermittler zwischen den beiden Ländern und Kulturen. Er war es als Wissenschaftler, der immer auch ein breiteres Publikum anzusprechen suchte - seine 1974 erschienene, 1993 neu bearbeitete Problem-Geschichte „Deutschland und die Tschechen“ bildet das dauerhafteste Ergebnis dieser Bemühungen. Er war es als Mann des öffentlichen Engagements, als langjähriger Vorsitzender des Collegium Carolinums, der Forschungsstelle für die böhmischen Länder, als Mitglied der deutsch-tschechischen Historikerkommission und des Koordinierungsrates für das deutsch-tschechische Dialogforum. Er war das alles durchaus in pädagogisch-politischer Absicht und, wenn es ihm notwendig erschien, streitig.

So lag er oft im Clinch mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft, die sich ihrerseits an ihm rieb, aber auch, bis zur Wende, mit dem tschechoslowakischen Regime. Danach kam die verdiente Anerkennung - Prager Ehrendoktor, tschechische Verdienstmedaille. Das verschaffte einer Biographie Genugtuung, die das deutsch-tschechische Verhältnis am eigenen Leibe erfahren hatte: geboren 1927 in Nordböhmen, Vertreibung, Einwurzelung in München, dem er trotz 23 Bochumer Professoren-Jahre treu blieb. Von Haus aus war Seibt Mittelalter-Historiker; das Spektrum seiner Veröffentlichungen schlägt einen Bogen von den Hussiten, den Revolutionen in Europa bis zu Karl V. Vom Denken und Fühlen her war er ein Erbe und Fürsprecher des alten Mitteleuropas, geprägt durch seine Katastrophen und seine lange verschütteten Perspektiven. „Das alte böse Lied“ hieß eins seiner letzten Bücher, eine deutsche Geschichte von 1900 bis 1945. Es endete, optimistisch, wie er war, mit dem Bekenntnis: „Ich glaube an die Rettung der Großväter durch die Enkel.“ Rdh.

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