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Gesundheit: Die Satellitenschleuder

Amerikanische Forscher möchten Raumfahrzeuge mit einem riesigen Katapult ins All schießen

Die Idee klingt erstaunlich. Ein gewaltiger Ring aus supraleitenden Magneten könnte kleine Raumschiffe auf enorme Geschwindigkeiten beschleunigen und anschließend zum Himmel schleudern. Satellitenstarts wären mit dieser Technologie erheblich billiger als mit heutigen Raketen. Zu dieser Einschätzung kommt eine wissenschaftliche Studie, die von der US Air Force finanziert wurde.

Das Weltraumkatapult hätte Ähnlichkeit mit einem Teilchenbeschleuniger. Es bestünde aus einem sechs Kilometer langen Tunnel, der im Kreis herumliefe und von supraleitenden Magneten umgeben wäre. Die von den Magneten erzeugten Felder könnten Satelliten innerhalb des Tunnels berührungsfrei in der Schwebe halten und gleichzeitig beschleunigen – ähnlich wie bei einer Magnetschwebebahn. Ließe man die Satelliten ständig im Kreis laufen und beschleunigte sie dabei fortwährend, könnten sie eine Geschwindigkeit von zehn Kilometern pro Sekunde erreichen.

Bei diesem Tempo, so die Idee, würden die Raumschiffe auf eine Art Sprungschanze geleitet. Wegen ihres enormen Schwungs flögen sie von dort aus ganz allein in den Weltraum. Eine kleine Rakete an ihrem hinteren Ende könnte sie schließlich auf die gewünschte Erdumlaufbahn bringen.

Nun hat die Air Force eine Folgestudie in Höhe von hunderttausend Dollar in Auftrag gegeben, die das Konzept vertiefen soll. Sie ist auf zwei Jahre angelegt und wird von dem US-Unternehmen LaunchPoint Technologies durchgeführt. „Mit dem Weltraumkatapult könnte man zum Beispiel Nutzlasten für die bemannte Raumfahrt ins All schießen“, sagt Jim Fiske, Leiter der Studie.

Allerdings haben Raumfahrtexperten zahlreiche Einwände gegen die Idee. Ein erheblicher Nachteil des Katapults bestünde darin, dass die beschleunigten Satelliten riesige Kräfte aushalten müssten. „Wenn ein Objekt mit zehn Kilometer pro Sekunde so im Kreis herumfliegt, wie es der Entwurf vorsieht, dann wirkt eine Zentrifugalbeschleunigung, die dem Zehntausendfachen der Erdbeschleunigung entspricht“, sagt Michael Khan, Missionsanalytiker beim europäischen Raumfahrtkontrollzentrum (ESOC). Die Satelliten müssten also extrem robust sein. Zwar verwendet das US-Militär heute schon Artilleriegranaten mit eingebauter Elektronik, die das Zwanzigtausendfache der Erdbeschleunigung überstehen. Aber dabei handelt es sich eben um Granaten und nicht um sensible Raumfahrttechnik.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die hohe Geschwindigkeit, mit der die Satelliten das Katapult verlassen würden. Um bis ins All zu gelangen, müssten sie die unteren dichten Atmosphärenschichten mit etwa zwanzigfacher Schallgeschwindigkeit durchstoßen. Dabei wirken beachtliche Reibungskräfte samt der damit verbundenen Erhitzung. „Der Satellit bräuchte eine Hülle aus wärmefesten Panzerplatten, um nach dem Start nicht zu verglühen“, so Khan. Das sei besonders bei kleinen Raumfahrzeugen, für die die Anlage offiziell gedacht ist, von Nachteil. Denn ein erheblicher Teil der Gesamtmasse des Fluggeräts ginge für die Panzerung drauf und es bliebe nicht viel für die Nutzlast übrig.

„Ich vermute, dass es bei diesem Konzept gar nicht um den Start von Satelliten geht“, sagt Khan. Er spricht eine Befürchtung an, die auch amerikanische Experten wie Alan Epstein vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben: dass das Militär an dem Katapult interessiert sein könnte, um dessen Waffentauglichkeit zu prüfen. Denkbar wäre zum Beispiel, damit viele kleine Schrotgeschosse in eine Erdumlaufbahn zu schießen, um diese mit Trümmern zu verschmutzen. Die Trümmer könnten Satelliten zerstören und die Kommunikation im Weltall behindern. Es müsse ja gar nicht sein, so Khan, dass die Militärs selbst den Einsatz dieser Waffe erwägen. Aber sie könnten herausfinden wollen, was ein Gegner damit anstellen kann.

Die Idee eines Weltraumkatapults oder einer Weltraumkanone ist nicht neu. Sie geistert in verschiedenen Varianten seit Jahrzehnten durch die Schubladen. „All diese Konzepte haben immer wieder dasselbe Problem“, so Khan, „die höchste Geschwindigkeit wird in den unteren Atmosphärenschichten erreicht, die thermische Belastung ist sehr hoch.“

Sollte die Technologie dennoch einmal funktionieren, könnten die Startkosten pro Satellit deutlich sinken, argumentieren die Forscher von LaunchPoint Technologies. Gegenwärtige Raketenstarts kosten mehrere Tausend Dollar pro Kilogramm Nutzlast. Mit dem Weltraumkatapult könnte es ein Hundertstel davon sein. Freilich ist bei solchen Schätzungen Vorsicht geboten. Mit Hilfe der amerikanischen Spaceshuttles wollte man einst Weltraumgüter für wenige Hundert Dollar pro Kilogramm ins All befördern. Tatsächlich kostet der Transport heute mehr als zehntausend Dollar pro Kilogramm.

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