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Gesundheit: Ein schlechter Zug

Jedes Jahr sterben in Deutschland 140000 Menschen durch das Rauchen – bewirken Warnhinweise nichts?

Ein Cowboy im Sattel, das Lasso schwingend, die Zigarette im Mundwinkel. Inbegriff von Männlichkeit und strotzender Gesundheit. Hauptfigur der weltweit erfolgreichsten Werbekampagne: der Marlboro-Mann. Seine Darsteller aber starben durchs Rauchen; am Lungenemphysem David Millar, am Krebs David McLean und Wayne McLaren. Dessen Anti- Werbung kurz vorm Rauchertod blieb wirkungslos.

Auch der Effekt der gesetzlich vorgeschriebenen, wissenschaftlich wohlbegründeten Warnsprüche mit Trauerrand auf den Zigarettenpäckchen („Rauchen ist tödlich“, „Rauchen verursacht Impotenz“) wird bezweifelt. Nach Umfragen kümmern sich etwa 80 Prozent der Raucher nicht drum. Kein Wunder – sie sind süchtig geworden.

Wir wissen ja längst Bescheid. Schon vor 40 Jahren erschien der Terry-Report, genannt nach Amerikas oberstem Public Health-Beamten Dr. Luther Terry. Der Arzt leitete jene von John F. Kennedy eingesetzte Kommission, die nach eingehendem Studium der Forschungsergebnisse quasi amtlich feststellte, dass Rauchen zu Krankheit und Tod führen kann. Noch heute aber sterben in Deutschland jährlich etwa 140000 Einwohner vorzeitig an Raucherkrankheiten – eine Schätzzahl, die im Dezember auf der zweiten Deutschen Konferenz für Tabakkontrolle im Heidelberger Deutschen Krebsforschungszentrum genannt wurde.

Die Gefahren sind größer als anfangs angenommen. Erst nach und nach erhärteten Studien den Verdacht, dass Tabakrauch mit seinen Tausenden von Schadstoffen, darunter etwa 40 krebserregende, nicht nur neun von zehn Lungenkrebsfällen verursacht, sondern auch das Risiko für viele andere Krebslokalisationen erhöht, darunter Mundhöhle, Kehlkopf, Speiseröhre, Bauchspeicheldrüse und Blase.

Raucher sind stärker als Nichtraucher von Herzinfarkt und Schlaganfall, chronischer Bronchitis und Lungenentzündung bedroht. Auch Passivraucher werden geschädigt. In Deutschland rauchen sechs Millionen Kinder unter sechs Jahren unfreiwillig mit. Sie haben viel häufiger Atemwegskrankheiten wie Heuschnupfen und Asthma als Kinder in rauchfreien Haushalten, wie die Deutsche Krebshilfe mitteilt.

Die Verbreitung all dieser Befunde hat bisher wenig genützt. Ein Drittel der Erwachsenen rauchen noch, und die Kinder fangen immer früher an: durchschnittlich mit 11,6 Jahren. Bei uns rauchen sogar 20 Prozent der Schwangeren weiter, obwohl ihnen bekannt sein muss, dass dies die Entwicklung ihres Kindes schwer und dauerhaft schädigen kann. Ebenso wenig wie die Bevölkerung haben medizinische Argumente die Politiker in Deutschland beeinflusst, die nach Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation WHO von der Tabakindustrie manipuliert wurden und bis vor kurzem an die wirksame Prävention der bedeutendsten vermeidbaren Todesursache nur sehr zögerlich herangingen.

Vielleicht sind ökonomische Argumente effektiver? Mit 19,4 Milliarden Euro berechnet man die volkswirtschaftlichen Kosten des Rauchens: Sieben Milliarden für die medizinische Versorgung, 12,4 Milliarden für den Arbeitsausfall; ein Drittel davon durch vorzeitigen Tod, zwei Drittel durch Arbeitsunfähigkeit und Frührente. Nicht berücksichtigt wurden Kosten durch Passivrauchen, nicht tödliche Krankheiten und Ausfall unbezahlter Arbeit. Verglichen mit diesen immensen volkswirtschaftlichen Folgen spielen die direkten Kosten der Zigaretten eine geringere Rolle: Eine tägliche Schachtel Marlboro kostet im Jahr über 1300 Euro. Der deutsche Durchschnittshaushalt gibt 5,5 Prozent des Einkommens für Tabakwaren aus. Für Einkommensschwache kann dieser Anteil jedoch auf bis zu 20 Prozent steigen, und dann fehlt es am Nötigsten.

Die Zigarette wird zunehmend zu einem Merkmal der Unterschicht. Dort rauchen 47 Prozent der Männer, in der Mittelschicht 37 Prozent, in der Oberschicht nur noch 30 Prozent, ergab der Bundes- Gesundheitssurvey. Bei Frauen sind die Unterschiede geringer. Und je niedriger der Bildungs- und Einkommensstatus, desto seltener gelingt der Ausstieg. Aufklärungs- und Behandlungsangebote erreichen diese am meisten Gefährdeten bisher am wenigsten, denn es fehlt an schichtenspezifischen Ausstiegshilfen. Tabaksteuererhöhungen dagegen wirken sich unter den ärmeren Rauchern am stärksten aus.

Ökonomische Konsequenzen aus dem Risiko Rauchen haben als Erste die Lebensversicherer gezogen: Immer mehr Gesellschaften verlangen von Rauchern höhere Beiträge zur Risikolebensversicherung. Mit Grund: Die Schweizer Rückversicherungsgesellschaft „Swiss Re“ hat über einen Zeitraum von nicht weniger als 40 Jahren aus den Unterlagen von über 200000 Versicherten ermittelt, wie stark die Sterblichkeit von Rauchern erhöht ist. Die Studie ergab, dass man das Risiko der Raucher, früher zu sterben, wesentlich unterschätzte und ihnen deshalb zu geringe oder gar keine Zuschläge berechnete. Dabei sterben von denen, die mehr als 20 Zigaretten pro Tag rauchen, im Vergleich zu Nichtrauchern, doppelt so viele vorzeitig, meist an Krebs und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Umgerechnet in die Lebenserwartung bedeutet dies, dass Raucher etwa sieben Jahre früher sterben. Beim Tod schon im mittleren Alter, etwa durch Herzinfarkt, können sie aber auch 20 Lebensjahre verlieren, stellen die Versicherungsmathematiker fest. Extrem steigt die Sterblichkeit der Raucher, wenn weitere Risikofaktoren hinzukommen, wie Bluthochdruck und Alkoholmissbrauch.

Rat und Hilfe für Ausstiegswillige:

Rauchertelefon des Deutschen Krebsforschungszentrums: 06221-424200 (Montag bis Freitag 15.00-19.00 Uhr)

Raucher-Telefon Berlin: 030-7059496

Nichtraucherbund Berlin: 030-2044583 und www.nichtraucher-berlin.de

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