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Gesundheit: Fälle wie aus dem Polizeibericht

Täter T.lauert hinter einer Hecke, um Opfer O.

Täter T.lauert hinter einer Hecke, um Opfer O.aus Eifersucht zu erschießen.T.weiß, daß O.jeden Abend um die gleiche Zeit diesen Weg nimmt.Als Punkt 18 Uhr eine Gestalt um die Ecke biegt, drückt T.ab.Die Gestalt sinkt, tödlich in die Brust getroffen, zu Boden.Später stellt sich heraus, daß es sich bei dem Toten nicht um O., sondern um die Person P.handelte, die T nicht kannte und nicht hatte umbringen wollen...

Was sich liest wie ein Polizeibericht, ist einer der vielen kleinen Fälle, die einem Studenten der Rechte im Laufe seines Studiums präsentiert werden, um ihm das juristische Denken beizubringen.Denn Jurastudium ist vor allem Fall-Lösung - also die Kunst, ein abstraktes Gesetz auf einen konkreten Fall anzuwenden oder andersherum: einen konkreten Sachverhalt unter die einschlägige Rechtsnorm einzuordnen.Dies gilt für alle Rechtsgebiete, die grob in Zivilrecht, Strafrecht und Öffentliches Recht eingeteilt werden.Das Jurastudium vermittelt aber auch Wissen, das eigentlich zur Allgemeinbildung zählen sollte, unter anderem internationale Rechtspflege, deutsche Demokratie oder Rechtshistorie, und fördert damit auch das Verständnis täglicher Schlagzeilen aus Politik und Wirtschaft.Insofern stimmt das arg strapazierte Vorurteil nicht, man müsse nur auswendig lernen.Doch natürlich müssen auch Definitionen gelernt werden, weil man die nun mal für eine fundierte Diskussion braucht.In anderen Wissenschaften ist das ja nicht anders.

Angeblich studiert nur derjenige Jura, der keine speziellen Fähigkeiten hat.Dies wird daraus abgeleitet, daß keine Vorkenntnisse außer der deutschen Sprache erforderlich sind.Doch das ist allzu tiefgestapelt.Der Jurist muß logisch denken können, er muß in der Lage sein, rasch das Wesentliche eines Falles, den "Knackpunkt", zu erkennen.Darin verstecken sich gleich zwei Probleme: Er oder sie muß argumentieren und entscheiden können, das heißt in der Lage sein, Argumente überzeugend darzustellen und solange gegeneinander abzuwägen, bis die favorisierte Lösung begründet ist.Die während des Studiums verlangten Leistungsnachweise sind vor allem Rechtsgutachten zu einem vorgegebenen Sachverhalt in Form von Klausuren oder Hausarbeiten.Es ist Außenstehenden oft nur schwer zu vermitteln, daß es in der Juristerei ein klares Ja oder Nein nur ausnahmsweise gibt.Das viel zitierte "Es kommt darauf an...""ist tatsächlich der Grundsatz, da Gesetze nun einmal in jedem Einzelfall ausgelegt werden müssen.

Die Bewerbung um einen Jura-Studienplatz erfolgt ausschließlich über die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze (ZVS) in Dortmund.Jeder Bewerber kann zwei Wunschstädte benennen, wovon meist eine berücksichtigt wird.Außerdem ist über die studentische Studienplatztauschbörse ein Wechsel an die begehrte Uni auch später noch möglich.Zur Zeit liegt der sogenannte Numerus Clausus (NC) bei 2,4 der Gesamtnote des Abschlußzeugnisses.Bewerber mit schlechterem Zensurendurchschnitt werden auf eine Warteliste gesetzt.Ausführliche Informationen finden sich in dem ZVS-Informationsheft, das beispielsweise in der Studienberatung der HU (Ziegelstraße 13 c, 5.Etage) bereit liegt.Die mit dem BAföG finanzierbare Regelstudienzeit für Jura beträgt neun Semester.Doch viele Studenten wagen erst im 12.oder 14.Semester, sich zum ersten juristischen Staatsexamen anzumelden.Dies liegt nicht nur daran, daß es viele nicht eilig haben, das ach so schöne Studentenleben zu quittieren, sondern auch an der Komplexität und Strenge dieser Abschlußprüfung.

Die Examenskandidaten müssen (je nach Bundesland) entweder neun jeweils fünfstündige Klausuren oder drei solcher Klausuren und eine sechswöchige Hausarbeit schreiben.Nach bestandener schriftlichen Prüfungen findet wesentlich später auch eine mündliche Prüfung statt.Die eigentliche Härte der juristischen Examina besteht darin, den gesamten Stoff aus allen Rechtsgebieten gleichzeitig parat haben zu müssen, da es, anders als in anderen Fächern, keine abschließenden Zwischenprüfungen gibt.Wer sich einmal den Umfang und die Problemfülle der Gesetze vor Augen führt, vermag sich ansatzweise vorzustellen, welche Mengen an Stoff die Studenten einüben müssen - und welches Kopfzerbrechen das bereiten kann.

Mit den Ängsten der Studenten verdienen private Repetitoren seit Jahren viel Geld.Gegen monatliche Kursgebühren zwischen 100 und 300 Mark bieten große bundesweit agierende Firmen an, den Prüfungsstoff strukturiert zu wiederholen.Obwohl das natürlich auf eine krasse Fehlentwicklung innerhalb der Juristenausbildung hinweist, nimmt doch inzwischen die klare Mehrheit der Studierenden den teuren Nachhilfeuntericht in Anspruch.

Jurastudenten stehen nicht umsonst in dem Ruf, sehr fleißig und kooperativ zu sein.Beide Tugenden zeigen sich auch darin, daß sich die allermeisten Studenten schon früh aus privater Initiative in Dreier- oder Vierer-Lerngrupppen organisieren, um den Stoff gemeinsam aufzubereiten.

Um die Studienzeiten zu verkürzen, wurde vor einigen Jahren die sogenannte Freischußregelung eingeführt.Die Prüfungsordnungen der einzelnen Bundesländer gewähren jedem Studenten, der sich bereits nach dem achten Semester zum ersten Examen anmeldet, einen Freiversuch.Wenn der Kandidat im ersten Versuch durchfallen sollte, würde das also nicht zählen.Damit bleiben dem Studenten noch zwei weitere, nämlich die regulären, Prüfungsmöglichkeiten.1997 hat bundesweit knapp die Hälfte der Studenten des 8.Semesters den Freiversuch unternommen.Davon waren circa 75 Prozent erfolgreich, während die Durchfallerquote insgesamt bei ungefähr 31 Prozent lag.Zur Zeit legen jährlich etwa 12 400 Kandidaten das erste Staatsexamen ab.Danach haben sie einen Rechtsanspruch darauf, als Rechtsreferendare zwei Jahre von der Justiz zum sogenannten Volljuristen ausgebildet zu werden.Dabei erhalten sie die Bezüge eines Beamtenanwärters (circa 1800 Mark) und durchlaufen sieben verschiedene Ausbildungsstationen.Das kann zum Beispiel so aussehen, daß sie sechs Monate lang einem Zivilrichter zugeteilt werden und je drei Monate lang unter den Fittichen eines Staatsanwalts, Verwaltungsbeamten und eines Rechtsanwaltes stehen.

Erst nach Bestehen des zweiten Staatsexamens am Ende der zwei Jahre stellt sich der erfolgreiche Jurastudent in der Regel die Frage, welchem konkreten juristischen Beruf er nun nachgehen soll.Der Staat übernimmt aufgrund der angespannten Haushaltslage von den jährlich rund 10 000 Referendaren nur etwa ein Viertel in den Staatsdienst.Die übrigen drei Viertel arbeiten entweder als Rechtsanwalt, in der freien Wirtschaft oder in der Wissenschaft.Viele Juristen sind auch als Fachjournalisten oder als Mitarbeiter bei juristischen Großverlagen glücklich geworden.

ANJA LAUTERBACH

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