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Gesundheit: Gesundheitssystem: Die Wartezeiten beim Arzt sind gottgegeben

Das Schlimmste an Arztpraxen sind die Wartesäle. Die vielen Zeitschriften und die Krabbelecke für Kinder verraten sogleich: Es wird lange dauern.

Das Schlimmste an Arztpraxen sind die Wartesäle. Die vielen Zeitschriften und die Krabbelecke für Kinder verraten sogleich: Es wird lange dauern. Bis man drankommt, können Stunden vergehen. Muss diese Warterei sein? Der gesunde Menschenverstand sagt uns zweifelsfrei: Nein! Die Mathematik aber widerspricht hier einmal mehr der Intuition. Die ständigen Verzögerungen scheinen, im Gegenteil, geradezu charakteristisch für jedes leistungsfähige Gesundheitssystem zu sein.

Die medizinische Versorgung ist, mathematisch gesprochen, ein semichaotisches, sich selbst regulierendes Netzwerk. Man könnte einen Haufen Arztpraxen etwa mit einem Sandhaufen vergleichen, auf den in unregelmäßigen Abständen neue Sandkörner, sprich: Patienten, herunterrieseln. Dabei kommt es oft zu kleinen Lawinen, aber nur ganz selten zu großen Sandrutschen. Jede Veränderung verteilt sich schnell auf die miteinander in Verbindung stehenden Bereiche des Netzwerks. Die Neigung des Sandhaufens bleibt immer die gleiche.

Das ist mit der Länge der Warteliste leider ganz ähnlich. Wenn eine Praxis einen neuen Spezialisten einstellt, dann mag das die Warteliste eine Zeitlang verkürzen. Aber bald darauf pendelt sich die Nachfrage wegen des besseren Angebots auf einem neuen Level ein, und das Problem ist wieder das alte.

Dominic Smethurst und sein Kollege H. C. Williams von der Universitätsklinik in Nottingham haben sich die Wartelisten von vier Dermatologen genau angeschaut, denen Hausärzte ihre Patienten zuweisen. Über einen Zeitraum von sechs Jahren haben sie verfolgt, wie die Wartezeiten schwanken.

Die Zeiten änderten sich nicht rein zufällig um einen Mittelwert, wie man annehmen und hoffen könnte: dann käme man beim Arzt ja auch des Öfteren früher dran als erwartet. Stattdessen genügten die Verzögerungen einem für komplexe Systeme typischen Potenzgesetz, wie die beiden Briten im Wissenschaftsmagazin "Nature" (Band 410, Seite 652) ausführen.

Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass das Gesundheitssystem sehr effizient arbeitet. Kleine Wartezeiten und mitunter auch längere scheinen dabei unausweichlich zu sein. Trotzdem dürfen die Ärzte kaum darauf hoffen, dass weitere derartige Studien zu mehr Nachsicht seitens der Patienten führen werden.

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