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Gesundheit: Gewogen und zu leicht befunden

Kliniken: Jeder Dritte bei Aufnahme mangelernährt

Europaweit sind 15 bis 40 Prozent aller stationär aufgenommenen Krankenhauspatienten mangelernährt. Deshalb hat der Europarat den „Nutrition Day“ ins Leben gerufen. Am 19. und 20. Januar erheben alle beteiligten Krankenhäuser in Europa Daten zur Ernährung ihrer Patienten. Bei der Tagung „Ernährung 2006“ in Berlin wurden nun Ergebnisse der Umfrage für Deutschland vorgestellt. Sie bestätigen, dass die Mangelernährung auch hierzulande ein häufiges Problem ist.

Ob sie gefrühstückt hätten, wurden die Kranken am „Nutrition Day“ gefragt, ob sie bei den Mahlzeiten im Krankenhaus ihren Teller üblicherweise leer essen, ob sie in der letzten Zeit weniger Appetit und an Gewicht abgenommen hätten. Zusätzlich wurden auf den jeweiligen Stationen Daten über die Patienten erhoben.

Man habe mit dem Fragebogen, der in 25 Sprachen übersetzt wurde, einen „Schnappschuss“ der Ernährungssituation von Krankenhauspatienten machen wollen, sagt der Intensivmediziner Michael Hiesmayr von der Medizinischen Universität Wien, der das Projekt „Nutrition Day 2006“ leitet. Ein Drittel der 2104 befragten deutschen Patienten aus 36 Städten waren bei ihrer Aufnahme im Krankenhaus mangelernährt.

Untergewicht – als Maß gilt meist ein Body Mass Index (Gewicht in Kilo durch Größe in Metern im Quadrat) unter 18,5 – ist dafür nicht das einzige Kriterium. Auch wer in der letzten Zeit stark abgenommen hat und aufgrund von Nährstoffmangel gestörte Organfunktionen hat, gilt als mangelernährt. Ein Blick auf den Entlassungstag und auf das weitere Schicksal der Befragten einen Monat später zeigte: Kranke, die diese Kriterien erfüllten, lagen im Schnitt doppelt so lang im Krankenhaus. Und in der Gruppe derjenigen, die angaben, nichts oder nur wenig zu frühstücken, war das Risiko, im Beobachtungszeitraum zu sterben, dreimal so hoch wie bei den Patienten, die ihre Teller leer aßen.

„Wir haben allen Grund, der Gewichtsabnahme der Patienten im Krankheitsfall mit Aufmerksamkeit zu begegnen“, folgerte Hiesmayr. Bisher bleibt allerdings offen, ob die Patienten, die ungewollt an Gewicht verloren, die wenig Appetit hatten und mangelernährt waren, nicht zugleich an einer schwereren Krankheit litten als diejenigen, die das Essen im Krankenhaus genossen.

Wer Krebs, eine chronische Herzschwäche oder Lungenerkrankung hat, ist oft von einer krankhaften Abmagerung und Auszehrung betroffen. Mediziner nennen sie Kachexie. Dabei wird nicht nur Fett-, sondern auch Muskel- und Knochengewebe abgebaut. „Das Gewebe wird weggeschmolzen“, erklärte Wolfram Döhner von der Charité, wo die Kachexie in einer eigenen Arbeitsgruppe erforscht wird.

Wenn von Ernährung die Rede ist, denken die meisten heute an Übergewicht. Im höheren Lebensalter aber bedeutet eher das Abnehmen eine Gefahr. „Bis 65 sollte man rank und schlank sein, aber später ist der Gewichtsverlust schlimm“, spitzte der Internist Cornel Sieber vom Nürnberger Klinikum Nord zu. Doch: „Viele stark Übergewichtige erreichen diesen Zeitpunkt nicht, sie kommen in der Altersmedizin gar nicht mehr an.“

Adelheid Müller-Lissner

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