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Gesundheit: "Himmlische Baustelle": Zwei Münchner im Himmel

Noch ist es eng, die Einrichtung spartanisch. Die drei Astronauten, zwei Russen und ein Amerikaner, die am heutigen Dienstag als erste Besatzung zur Internationalen Raumstation aufbrechen, werden ein bescheidenes Containerdasein fristen.

Noch ist es eng, die Einrichtung spartanisch. Die drei Astronauten, zwei Russen und ein Amerikaner, die am heutigen Dienstag als erste Besatzung zur Internationalen Raumstation aufbrechen, werden ein bescheidenes Containerdasein fristen. Sie müssen sich zwei Schlafnischen teilen und ein Häuflein Reparatur- und Wartungsarbeiten. Ein Forschungslabor wird erst im kommenden Jahr in den Weltraum gebracht und mit der Station verschweißt. Und auch dann wird das Leben im All eine Baustelle bleiben, ein Projekt zudem, das der Völkerverständigung wohl mehr dienen wird als dem Fortkommen der Wissenschaft. Für deren Ziele nämlich hätten die rund 200 Milliarden Mark Gesamtkosten nach Ansicht vieler Experten besser eingesetzt werden können.

Ein stilles Örtchen für die Forschung gibt es auf der himmlischen Baustelle allerdings bereits jetzt: in der Luftschleuse. In diesem kleinen Durchgang, der später einmal ein Fluchtweg sein soll, werden die Astronauten in Kürze das erste Experiment installieren. Und über die Premiere dürfen sich Gregor Morfill und Hubertus Thomas vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in München besonders freuen. Denn es sind ihre Apparatur und ihre außergewöhnliche Idee, die da auf völlig unbürokratische Weise den Weg ins All gefunden haben.

Warten auf "Columbus"

Für ein Experiment auf der Raumstation zu diesem frühen Zeitpunkt hätten die deutschen Forscher eigentlich eine Menge zahlen müssen - nicht nur für den Transport ihrer Versuchsapparatur in den Weltraum, sondern auch für die Nutzung der internationalen Plattform. Bislang haben nur Russen und Amerikaner einen Wohnblock in die Umlaufbahn um die Erde gebracht. Die europäischen Staaten bauen zwar auch schon an ihrer Immobilie, aber ihr Forschungslabor "Columbus" wird erst in einigen Jahren den Weg dorthin finden. Und solange kostet auch deutsche Forscher jeder angemietete Zentimeter eine deftige Gebühr - und viel Geduld beim Antragstellen.

Die Münchner Forscher hatten indessen schon im Frühjahr 1998 eine Kooperation mit einem Institut der Akademie der Wissenschaften in Moskau eingefädelt. Und die verschafft ihnen nun das Privileg, dass ihre Plasmakristall-Apparatur als erstes naturwissenschaftliches Experiment zur Internationalen Raumstation fliegt. "Die russische Seite trägt die Flugkosten, die deutsche Seite die Experimentierkosten", sagt die Projektbetreuerin Maria Roth vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Die Astrophysiker möchten in einem verschlossenen Container an Bord der Raumstation das Verhalten elektrisch geladener Gase in der Schwerelosigkeit untersuchen. Solche Plasmen bilden sich in der Atmosphäre von Sternen oder im interstellaren Raum. Gregor Morfill, Direktor am Münchner Max-Planck-Institut, ist ihnen daher im Laufe jahrezehntelanger astronomischer Beobachtungen immer wieder begegnet.

In einem Plasma schwirren geladene Teilchen, Elektronen und Ionen, durcheinander. Geraten jedoch Staub- oder andere mikroskopisch kleine Partikel in das Gemisch, so kehrt mitunter plötzlich Ordnung in das Tohuwabohu ein: Die Partikelchen laden sich bei den Zusammenstößen mit den Elektronen auf und reihen sich danach mit großer Regelmäßigkeit aneinander - ähnlich wie die Atome in einem Kristall. Solche Plasmen heißen daher auch Plasmakristalle.

Morfill kam auf den Gedanken, Plasmakristalle künstlich zu erzeugen. Er wollte im Labor und nicht nur aus der Ferne am Teleskop verfolgen, unter welchen Bedingungen sie wie von selbst entstehen und in welche anderen Ordnungszustände sie übergehen. Die ersten erfolgreichen Experimente dazu machte Hubertus Thomas im Rahmen seiner Doktorarbeit. Nun wollen die Forscher die störende Schwerkraftwirkung der Erde ausschalten, in deren Bann die Staubpartikel nach unten fallen.

So lange der Gasvorrat reicht

Dazu haben sie eine möglichst kompakte und leichte Apparatur entworfen. Die Plasmakammer misst nur wenige Zentimeter. In sie wird Argon aus einem Vorratsbehälter eingelassen und das Gas so stark erhitzt, dass es sich in ein Plasma verwandelt. Anstelle der Staubpartikel strömen nun feine Kunststoffteilchen in die Kammer. Eine Kamera zeichnet sämtliche Vorgänge auf.

Das Experiment soll seinen Platz in einem Durchgang finden. "Wir brauchen einen Vakuumanschluss, und dort ist der einzig vorhandene", sagt Maria Roth. Die Versuchsreihe werde voraussichtlich im Februar gestartet. "Kurz danach dockt der Shuttle an und bringt die Crew und die ersten experimentellen Daten zur Erde zurück."

Anhand der Aufzeichnungen soll zunächst die Funktionstüchtigkeit der Apparatur und der Programme überprüft werden. Wenn die dritte Besatzung zur Raumstation fliegt, können russische Kosmonauten das Experiment dann fortsetzen. Nach 40 Stunden Versuchsdauer werden die Gasreserven in dem Container vermutlich aufgebraucht sein und neue Erkenntnisse über das Verhalten der Plasmakristalle vorliegen, die sich möglicherweise auch technisch nutzen lassen. Jedenfalls haben die Forscher bereits einige ihrer Ideen zum Patent angemeldet.

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