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Gesundheit: Hormone lassen Karpfen schnell wachsen, aber bedenklich schnell sterben

Weihnachten. Feierliche Stimmung, Kerzenschein und natürlich eine festlich gedeckte Tafel.

Weihnachten. Feierliche Stimmung, Kerzenschein und natürlich eine festlich gedeckte Tafel. Auf dem silbernen Tablett befindet sich ein mit viel Liebe und Mühe zubereiteter Karpfen. Ein echtes Prachtexemplar, das man in Berlin und Brandenburg auch gerne zu Silvester auftischt, polnisch oder blau, gebacken oder gedünstet, in Bier oder im Teigmantel zubereitet.

Groß soll der Karpfen schon sein. Aber kürzlich entdeckten die Wissenschaftler William Muir und Richard Howard von der Purdue Universität im amerikanischen Bundesstaat Indiana, dass es mit den großen Zuchtfischen nicht immer zum Besten steht. Fischzüchter in den USA zum Beispiel möchten das Wachstum des Karpfens durch Hormone beschleunigen. Muir und Howard dagegen fanden heraus, dass Karpfen, denen das Gen für das menschliche Wachstumshormon eingesetzt wurde, zwar eine stattliche Größe erreichen, dafür aber auch früher sterben.

Wie die beiden Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" (Band 96, Seite 13853) berichten, bevorzugen die Fischweibchen die größeren Männchen, also die gentechnisch veränderten Karpfen, obwohl diese nicht so lange leben: Nur zwei Drittel der Karpfen mit dem Wachstumshormon erreichen das fortpflanzungsfähige Alter.

Durch sexuelle Selektion verbreitet sich das Gen für das Wachstumshormon in der gesamten Population. Die reduzierte Lebensfähigkeit führt die Population schließlich in den Tod. Die amerikanischen Wissenschaftler nennen dieses Szenario die "Hypothese vom trojanischen Gen": Was verführerisch aussieht, zerstört schließlich die ganze Population.

Um sich ein genaueres Bild davon machen zu können, studierten Muir und Howard am Computer die Entwicklung einer Karpfenpopulation mit 60 000 Tieren, wovon nur 60 gentechnisch verändert waren. Das Ergebnis ihrer Computersimulation war eindeutig: Innerhalb von 40 Generationen starb die gesamte digitale Karpfenpopulation. Auch ein einziger gentechnisch manipulierter Karpfen würde ausreichen, um die gesamte Population zu vernichten, stellten die Wissenschaftler fest. Würde also ein derart gentechnisch verändertes Tier freigesetzt, könnte dies erhebliche Folgen für die Population und die Umwelt haben. Nach relativ kurzer Zeit könnte eine ganze Population ausgerottet und das biologische Gleichgewicht erheblich gestört werden.

Und was wird nun aus unserem Weihnachtskarpfen? Bleiben unsere Teller bald leer, weil es den Karpfen gar nicht mehr gibt? Peter Ludwig vom Institut für Fischwirtschaft und Gewässerbewirtschaftung an der Humboldt-Universität Berlin beschwichtigt sofort: "Karpfen sind in Deutschland auf keinen Fall gentechnisch verändert. Das ist zur Zeit gesetzlich verboten. Hier wird eine ganz normale Teichbewirtschaftung betrieben." Nach drei Jahren, wenn die Fische ausgewachsen sind, würden die Seen abgefischt und anschließend verkauft. Eine Gefahr, dass die Karpfen hierzulande bald aussterben, bestehe daher nicht.

Die Ergebnisse der amerikanischen Forscher werden es aber in Zukunft denjenigen schwer machen, die gentechnisch veränderte Fische mit zusätzlichen Wachstumshormonen aussetzen wollen. Muir und Howard fordern nach Auswertung ihrer Ergebnisse, dass alle gentechnisch veränderten Tiere vor der Freisetzung in intensiven ökologischen Tests begutachtet werden müssten. Wenn die Resultate der beiden Forscher in nächster Zeit in Tierversuchen auf Fischfarmen bestätigt werden sollten, könnten solche Tests bald zum Standard werden.

Claudia Kurreck

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