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Gesundheit: Hurrikane werden gefährlicher

Forscher sehen Zusammenhang mit Erwärmung der Meerwassers

Nach „Katrina“ kamen „Maria“ und „Nate“, jetzt tobt „Ophelia“. Der Eindruck wird verstärkt, Hurrikane seien häufiger geworden, sie richteten mehr Unheil an als früher. Vielleicht täuscht das. Mag sein, dass wir durch intensivere Berichterstattung sensibler geworden sind und unzulässigerweise verallgemeinern.

Wissenschaftlich fundierte Antworten liefert nun eine Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Science“ (Band 309, Seite 1844) erschienen ist. „Die Gesamtzahl der Hurrikane ist etwa gleich geblieben, ihre Intensität ist aber gestiegen“, sagt Peter Webster. Der Klimaforscher hat zusammen mit Kollegen vom Georgia-Institut für Technologie und dem amerikanischen Nationalen Zentrum für Atmosphärenforschung in Boulder, Colorado, eine Bilanz der letzten 35 Jahre gezogen.

Der Studie zufolge gab es zwischen 1975 und 1989 im westlichen Atlantik und der Karibik insgesamt 16 Hurrikane der Stärke vier oder fünf. Zwischen 1990 und 2004 waren es schon 25. Im östlichen Pazifik, wo die Wirbelstürme als Taifune bezeichnet werden, wurde in den entsprechenden Zeiträumen ein Anstieg von 36 auf 49 registriert, im westlichen Pazifik von 85 auf 116. Im südwestlichen Pazifik betragen die Vergleichszahlen 10 und 22, im Indischen Ozean 24 und 57.

Besonders interessant wird es beim Zeitraum ab 1990. Hier hat die Gesamtzahl der Hurrikane leicht abgenommen, dagegen sind deutlich mehr sehr heftige Wirbelstürme zu registrieren. „Weltweit hat sich die Zahl von Wirbelstürmen der Kategorien vier und fünf seit den 1970er Jahren bis jetzt fast verdoppelt, von jährlich rund zehn auf etwa 18“, sagt Webster. Der Anteil der schwersten Stürme an der Gesamtzahl von Hurrikanen habe sich von 20 auf 35 Prozent erhöht, so Koautorin Judith Curry.

Woher kommt die gewachsene Zerstörungskraft? Als Hauptverdächtiger gilt die Temperatur der Meeres. Denn von dessen Oberfläche beziehen die Wirbelstürme ihre Energie. Auf etwa 27 Grad muss sie aufgeheizt sein, um den Zyklus einleiten zu können. Wasser verdampft, feuchte Luft wird nach oben gesaugt, kondensiert in den Wolken und setzt dabei Wärme frei, die in Bewegungsenergie umgewandelt wird. Ein Hurrikan entsteht, dem oft erst nach Wochen über kühlerem Meereswasser oder über Land die Puste ausgeht.

Nun ist den Autoren zufolge das Meer seit 1970 weltweit um etwa ein halbes Grad Celsius wärmer geworden, in der tropischen Zone gar um ein Grad. Das dient als Indiz für den Zusammenhang zwischen erhöhter Wassertemperatur und der Intensität der Hurrikane. So sieht es auch der amerikanische Forscher Kerry Emanuel vom Massachusetts-Institut für Technologie (MIT), der kürzlich in „Nature“ (Band 436, Seite 686) die gestiegene Meerestemperatur als Ursache der zunehmenden Zerstörungskraft der Hurrikane bezeichnet. Die Energiemenge, die von tropischen Wirbelstürmen im Nordatlantik und im Südpazifik freigesetzt wird, hat Emanuel zufolge seit den siebziger Jahren stark zugenommen, Windgeschwindigkeit und Sturmdauer hätten sich durchschnittlich um 20 Prozent gesteigert.

„Die Oberflächentemperatur kann aber nicht der einzige Faktor für Auftreten und Intensität von Hurrikanen sein“, erklärt Webster. Sonst hätten auch Gesamtzahl und Dauer der Hurrikane zunehmen müssen. Mit einer solchen vorsichtigen Interpretation der Zusammenhänge zeigt sich der Leipziger Meteorologe Christoph Jacobi einverstanden.

Es sei fraglich, ob sich die Aussagen zum Auftreten von Hurrikanen auch statistisch untermauern ließen. Für Aussagen über Klimaentwicklung sieht Jacobi bei Auswertungen über lediglich 35 Jahre wenig Raum. Da müsse man Jahrhunderte heranziehen. Er verweist auf die natürlichen Zyklen der tropischen Wirbelstürme, die sich etwa alle 30 Jahre ändern. So habe es in den 1940er und 1950er Jahren vergleichsweise mehr schwere Hurrikane gegeben, dann habe deren Zahl bis zu den 1990er Jahren wieder abgenommen. Und ab 1990 nehme sie wieder zu.

Auch die Meerestemperatur folgt offenbar natürlichen Zyklen. Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung verweist auf das amerikanische Nationale Hurrikan-Zentrum, das natürliche Temperaturschwankungen des Oberflächenwassers um ein Fünftelgrad festgestellt hat. Die Unterschiede zwischen wärmster und kältester Phase können sich also auf 0,4 Grad addieren, fast so viel wie die jetzt von Webster reklamierte Erhöhung um ein halbes Grad.

Doch bei aller Vorsicht sind sich die Experten einig: Es ist in den vergangenen 100 Jahren deutlich wärmer geworden. „Durchschnittlich um 0,6 Grad“, so der Kieler Meteorologe Mojib Latif. Zwei Drittel dieser Erwärmung, die zweifellos auch das Meereswasser betreffe, gingen auf menschliches Handeln zurück. „Natürliche und anthropogene Beiträge überlagern sich“, sagt Rahmstorf. Seine Klimamodelle berechnen den Beitrag des Menschen zur Erhöhung der Oberflächentemperatur von etwa 0,6 Grad in den letzten 100 Jahren auf 0,2 bis 0,5 Grad. Um die Wahrscheinlichkeit für weitere schwere Wirbelstürme zu verringern, müsse der Ausstoß von Treibhausgasen verringert werden.

Paul Janositz

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