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Gesundheit: Im Naturschutz zahlt sich jeder Euro hundertfach aus Experten warnen davor, vom Menschen noch unberührte Ökosysteme in Nutzflächen umzuwandeln

Von Michael Simm Investitionen in den Schutz von Naturlandschaften sind eine der besten Geldanlagen für die Gesellschaft. Dies ist das Ergebnis von Berechungen, die amerikanische und britische Forscher unmittelbar vor dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg veröffentlicht haben.

Von Michael Simm

Investitionen in den Schutz von Naturlandschaften sind eine der besten Geldanlagen für die Gesellschaft. Dies ist das Ergebnis von Berechungen, die amerikanische und britische Forscher unmittelbar vor dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg veröffentlicht haben. Demnach könnte jeder in den Naturschutz investierte Euro der Menschheit den Gegenwert von 100 Euro einbringen.

Zehn Jahre nach dem Umweltgipfel von Rio de Janeiro habe sich der Verlust von Naturlandschaften kaum vermindert, kritisiert die 19-köpfige Gruppe von Umweltforschern und Wirtschaftsexperten. Gleichzeitig mehrten sich die Beweise dafür, dass der wirtschaftliche Nutzen intakter Ökosysteme die Profite durch deren Umwandlung in Nutzflächen bei weitem überschreitet.

Über 300 Studien haben die Wissenschaftler durchforstet, um den Nutzwert intakter Ökosysteme mit dem Profit aus Landwirtschaft und Fischerei nach der Umwandlung zu vergleichen. Sie stellten Klimaregulation, Hochwasserschutz, Bodenbildung und Nährstoffrecycling dem Gegenwert an wild lebenden Tier- und Pflanzenarten für Nahrung, Brennstoffe und Arzneimittel gegenüber. Außerdem berechneten sie die Einnahmen aus dem Verkauf von Tropenhölzern, Palmenöl, Gummi, Getreide oder Meeresfrüchten.

Ob in den Wäldern Malaysias, in kanadischen Feuchtgebieten oder philippinischen Korallenriffen – stets ergab sich das gleiche Bild: Mit der Umwandlung der Natur- in Kulturlandschaften verringerte sich deren wirtschaftlicher Wert erheblich, und zwar im Durchschnitt um mehr als die Hälfte. So gewinnen beispielsweise die Shrimpsfarmen Thailands durchschnittlich 16 700 Dollar pro Hektar im Jahr. Doch die Mangrovensümpfe, die dafür hatten weichen müssen, hatten den Bauern Holz und Kohle sowie andere Erzeugnisse des Waldes geliefert, sie vor Stürmen geschützt und gleichzeitig als Brutstätte für zahlreiche Fischarten gedient. Der Gegenwert dieser Leistungen summierte sich auf 60 400 Dollar und übertraf den Profit nach der Umwandlung um das Vierfache.

In Kanada hatten die Farmer für die Trockenlegung von Feuchtgebieten beträchtliche Subventionen eingestrichen; zusammen mit dem Getreideanbau erreichten sie nun Gewinne von 3700 Dollar pro Hektar. Verloren waren indes die Erträge aus Jagd, Fischfang und Fallenstellerei mit einem Gegenwert von 8800 Dollar.

Die als „Konversion“ bezeichnete Umwandlung von Naturlandschaften in wirtschaftliche Nutzflächen wie die Rodung von Wäldern und die Trockenlegung von Sümpfen habe in der Vergangenheit in den meisten Fällen der Gesellschaft insgesamt genutzt, schreiben die Experten. Heute aber habe sich das Bild gewandelt. Von der Konversion der verbleibenden Naturflächen profitiere in der Regel nur noch eine kleine Zahl von Privatleuten oder Firmen – zu Lasten der Gesellschaft. Dass der Naturverbrauch dennoch immer weiter fortschreitet, sei auch Folge der Subventionen, die viele Länder in Form von Steuervorteilen und Zuschüssen geben. Diese Geldspritzen, die weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll sind, addieren sich je nach Rechnungsweise weltweit auf jährlich 950 beziehungsweise 1950 Milliarden Dollar.

„Aus einer globalen Perspektive betrachtet hat die Konversion der verbleibenden Landschaften keinen Sinn mehr“, betonen die Experten unter Leitung von Andrew Balmford von der Universität Cambridge. Vielmehr habe man neben soziokulturellen und moralischen Gründen auch einen klaren wirtschaftlichen Anreiz, die verbleibenden intakten Ökosysteme zu schützen.

Trotzdem schrumpfen die letzten Naturlandschaften mit Ausnahme der Regenwälder in den gemäßigten Breiten weiter - und zwar um durchschnittlich 1,2 Prozent pro Jahr. Dies zeigen Daten aus den 70er Jahren bis 1997, die der World Wildlife Fund und das Ernährungsprogramm der Vereinten Nationen ermittelt haben. Aus der „Schrumpfungsrate“ und der mit der Konversion verbundenen Wertminderung haben die Ökoexperten den Nettoverlust für die Menschheit auf 250 Milliarden Dollar jährlich berechnet.

Balmford und seine Kollegen schlagen deshalb ein gewaltiges Naturschutzprogramm vor. Die Investitionen zur Erhaltung der natürlichen Umwelt sollten von derzeit 6,5 Milliarden Dollar auf 45 Milliarden Dollar jährlich erhöht werden. Damit ließen sich 15 Prozent der Landflächen und 30 Prozent der Weltmeere erhalten, sagen die Forscher. Dies sei ein „hervorragendes Geschäft“, denn das weltweite Netzwerk von Naturschutzregionen würde den Gegenwert von 4400 bis 5200 Milliarden Dollar jährlich an Gütern und „Umweltdienstleistungen“ abwerfen.

„Das Kosten-Nutzen-Verhältnis liegt bei 100 zu eins.“ Man müsste sich schon sehr verschätzen, wenn das Schutzprogramm wirtschaftlich nicht sinnvoll wäre. Wie das Umweltprogramm finanziert werden soll, haben sich die Experten auch überlegt. Robert Constanza von der Universität Vermont schlägt vor, die Mittel für unsinnige Subventionen umzuverteilen. „Mit nur einem Zwanzigstel dieser Summe ließe sich das weltweite Netz von Naturreservaten bezahlen.“

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