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Gesundheit: Impfstoff gegen Krebs

Spritze verhindert Wucherung am Gebärmutterhals

Es begann in Heidelberg. 1983 veröffentlichte Harald zur Hausen vom Deutschen Krebsforschungszentrum in einer internationalen Fachzeitschrift eine brisante Studie. Zur Hausen hatte Spuren von Erbsubstanz eines Virus in Krebszellen aus dem Gebärmutterhals gefunden. Es handelte sich um die DNS von Papillomviren. Eine vielfältige und weit verbreitete Gruppe von Erregern, die meist nur lästige Warzen im Bereich der Geschlechtsteile hervorrufen. Aber eben manchmal auch Krebs. Gestern nun der Triumph: Amerikanische Wissenschaftler berichten im Fachblatt „New England Journal of Medicine“ von einer erfolgreichen Impfung gegen Papillomviren. Sie schützt nach diesen Ergebnissen nicht nur weitgehend vor Virusbefall, sondern auch vor virusbedingtem Krebs am Gebärmutterhals.

Rund 100 verschiedene Typen umfasst die Gruppe der humanen Papillomviren (HPV). Etwa 30 von ihnen befallen den Genitalbereich, zum Beispiel Scheide, Gebärmutterhals, Enddarm, After, Penis und Hoden. Sie werden beim ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen. Manchmal bilden sich Warzen, die meist von selbst wieder verschwinden. Nur ein kleiner Teil der Papillomviren ist wirklich gefährlich.

Als Hauptursache für Gebärmutterhalskrebs gelten heute fünf Typen von HPV. Etwa 95 Prozent aller Fälle von Krebs am Gebärmutterhals sind auf den Befall der Zellen mit HPV zurückzuführen. Auch bei anderen Tumoren im Genital- und Afterbereich spielt HPV eine Rolle, und sogar bei jedem fünften Krebs der Mundhöhle ist er beteiligt.

Von der Virus-Infektion bis zur Krebsentstehung vergehen meist etwa 20 bis 30 Jahre. Das Virus schleust seine Erbsubstanz in die Wirtszelle ein. Die Folge kann ungezügeltes, zerstörerisches Wachstum der infizierten Zellen sein. Krebs entsteht.

Laura Koutsky von der Universität von Washington und ihr Team testeten einen gentechnisch hergestellten Impfstoff der US-Firma Merck. Der Impfstoff richtet sich gegen Typ 16, den Hauptverdächtigen aus der HPV-Familie. HPV-16 findet sich in der Hälfte aller bösartigen Tumoren am Gebärmutterhals.

Die Ärzte impften knapp 2400 Frauen mit „leeren“ Virushüllen ohne Erbsubstanz oder mit einem Scheinmedikament (Placebo). Von diesen mussten rund 850 wieder aus der Untersuchung ausscheiden, weil sie bereits zuvor mit HPV infiziert waren.

Der Erfolg der jeweils drei Impfspritzen, die überdies gut vertragen wurden, war durchschlagend. Die Frauen, die den echten Impfstoff bekommen hatten, bildeten massenhaft Abwehrstoffe (Antikörper) gegen das Virus. Anderthalb Jahre nach der letzten Impfung stellte sich heraus, dass unter 765 nicht geimpften Frauen 41 neue Infektionen mit HPV und neun Krebswucherungen im Frühstadium aufgetreten waren. Die geimpften Frauen dagegen blieben virusfrei.

„Ein Durchbruch“, kommentiert der Krebsforscher zur Hausen gegenüber dem Tagesspiegel die Studie. „Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Impfstoff eine krebsauslösende Virusinfektion verhindert. Das ist der erste Schritt zu einer echten Krebs-Schutzimpfung.“ Der Forscher schätzt, dass insgesamt etwa jeder siebte Krebsfall mit einer Virusinfektion in Verbindung steht.

Auch zur Hausen arbeitet an einem Impfstoff. Der soll nicht nur vorbeugen, sondern den Körper sogar von einer bereits erfolgten Infektion kurieren. Und Merck testet bereits einen neuen Impfstoff, der nicht nur gegen HPV-16, sondern auch gegen HPV-18 schützen soll. Beide Varianten zusammen sind ursächlich für 70 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs. Zusätzlich wappnet der Impfstoff gegen HPV-6 und HPV-11, die etwa 90 Prozent der harmlosen Genitalwarzen hervorrufen.

Bis die Impfung für alle erhältlich sein wird, werden aber noch Jahre vergehen. Impfstoffe müssen an vielen Patienten auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit getestet werden, ehe sie zugelassen werden können. Besonders viel versprechen sich Experten für die Dritte Welt. Denn während Gebärmutterhalskrebs aufgrund regelmäßiger Untersuchungen („Pap-Test“) in den Industrienationen auf dem Rückzug ist und meist frühzeitig erkannt wird (in Deutschland erkranken 6200 Frauen pro Jahr), ist eine solche Überwachung in Entwicklungsländern nicht die Regel. Hier könnte eine Impfung einen zuverlässigen Schutz bieten. Weltweit sterben jedes Jahr eine Viertelmillion Frauen an dem Tumor.

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