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Gesundheit: Internationale Frauenuniversität: "Frauen brauchen keine Nachhilfestunden"

Aylâ Neusel, 65, Ingenieurin und Professorin für Hochschulforschung in Kassel, ist Präsidentin der Internationalen Frauenuniversität (ifu), Deutschlands erster Frauenuniversität mit Sitz in Hannover. An der ifu nahmen im vergangenen Sommer für 100 Tage fast 1000 postgraduierte Studentinnen aus der ganzen Welt teil.

Aylâ Neusel, 65, Ingenieurin und Professorin für Hochschulforschung in Kassel, ist Präsidentin der Internationalen Frauenuniversität (ifu), Deutschlands erster Frauenuniversität mit Sitz in Hannover. An der ifu nahmen im vergangenen Sommer für 100 Tage fast 1000 postgraduierte Studentinnen aus der ganzen Welt teil. Sie erforschten interdisziplinäre Gebiete unter Berücksichtigung von Genderperspektiven. Deutsche Hochschulen tun sich jedoch mit Studienangeboten ausschließlich für Frauen sehr schwer. Jetzt soll geklärt werden, ob die Frauenuniversität hierzulande eine Perspektive hat. Andere Staaten, wie die USA, können seit langem exzellente Universitäten für Frauen vorweisen.

Frau Neusel, die Frauenuni wird zur Zeit evaluiert. Welches Ergebnis zeichnet sich ab?

Eine Evaluierungsgruppe mit Mitgliedern aus verschiedenen Universitäten hat Studentinnen und Dozentinnen sowohl vor dem Start des Projekts als auch danach intensiv befragt, die Organisation und den Service sowie die Lehre untersucht. Manche der Ergebnisse sind durchaus überraschend: Die Akzeptanz der Monoedukation war nach der ifu äußerst hoch. Vorher waren gerade Studentinnen aus Entwicklungsländern eher indifferent.

Was haben die Studentinnen kritisiert?

Studentinnen aus asiatischen oder afrikanischen Ländern haben das Lehrangebot als eurozentristisch kritisiert. Zwar kamen die Dozentinnen aus allen Kontinenten, doch sie waren von der westlichen Wissenschaft geprägt. Außerdem haben wir wohl unterschätzt, wie schwierig Interdisziplinärität ist. Für Sozialwissenschaftlerinnen waren die Gender-Theorien in den Kursen bereits zu schlicht, für viele Naturwissenschaftlerinnen dagegen waren sie völlig neu. Außerdem gab es unter den vielen hochqualifizierten Frauen zahlreiche Studentinnen, die bereits Berufserfahrung hatten und nicht wie Anfängerinnen behandelt werden wollten. 80 Prozent der Studentinnen haben übrigens angegeben, dass sie wiederkommen würden.

Wird es diese Möglichkeit geben?

Eine neue Sommeruni ist nicht geplant. Wir wollen statt dessen vier dauerhafte einjährige Masterstudiengänge einrichten: Zuerst sollen die Aufbaustudiengänge Wasser- und Bodenmanagement und Information anlaufen, möglichst im Herbst nächsten Jahres, später dann auch Globalisierung sowie Entwicklung und Gesundheit. Diese Studiengänge sollen für den Beruf weiterqualifizieren, etwa für die Arbeit in internationalen Organisationen, die unter einem Mangel an qualifizierten Frauen leiden. Uns wurden bereits Plätze für Praktika angeboten.

Vier Masterstudiengänge statt einer richtigen Frauenuni - ist das nicht ein bisschen wenig?

Ich habe nie von einer Normaluni geträumt. Es ging immer nur um postgraduierte Studien, die im Hochschulsystem ein besonderes Profil haben. Die Themen der ifu, Wasser, Stadt, Körper, Information, Arbeit und Migration, sind keine gewesen, die man in einer Grundausbildung anbieten kann. Es waren sechs Graduiertenkollegs unter einem Dach, die weltweit bedeutende Themen unter einer Genderperspektive behandelt haben. Interesse an einer Zusammenarbeit kommt aus der ganzen Welt, etwa aus Kapstadt oder Seoul, wo es mit 20 000 Studentinnen die größte Frauenuni gibt.

Wie sollen die neuen Studiengänge finanziert werden?

Diese Frage haben die interessierten Vertreter amerikanischer Unis nie gestellt. Dort wird immer nur inhaltlich gefragt, danach, wie wir die Studentinnen gewinnen wollen. In Deutschland gibt es immer bürokratische Bedenken. Es wird mit Gesetzen und Geld argumentiert. Uns haben für das Jahr 2002 verschiedene Institutionen im In- und Ausland ihre Zusammenarbeit und ihre finanzielle Unterstützung zugesagt, wie einige Länderministerien in Deutschland, internationale Stiftungen sowie die Unesco.

Zu den wichtigen Sponsoren gehörte auch Niedersachsen .

Wir hatten gehofft, dass Niedersachsen die ifu an erster Stelle fördert. Jetzt zeichnet sich aber ab, dass Wissenschaftsminister Oppermann aussteigt. Er möchte seine eigenen Frauenstudiengänge fördern. Ich weiß nicht, ob ich mich darüber ärgern oder freuen soll. Schließlich wäre der Minister ohne die ifu nie darauf gekommen, solche Studiengänge einzurichten.

Sind Studiengänge für Frauen seit der ifu im Aufschwung?

Die Unis versuchen, neue Kunden zu gewinnen, seit es die Globalhaushalte gibt, durch die Geld nach Leistung verteilt wird. Aber bei dem Angebot für Frauen darf es sich nicht um einen Etikettenschwindel handeln. An manchen Unis sind Studiengänge für Frauen identisch mit denen für Männer. Weil man davon ausgeht, dass Frauen defizitär sind und Nachhilfestunden brauchen, gibt es Zusatzkurse, etwa in Mathematik.

Frauen brauchen besondere Lehrinhalte ?

Nicht die Frauen, sondern die Hochschulen müssen sich ändern. Frauen wollen nicht nur ganz spezielle technische Probleme lösen. Es geht ihnen oft mehr um die Zusammenhänge zur Gesellschaft und zur Umwelt. Mich wundert nicht, dass sich für einen Maschinenbaustudiengang für Frauen in Baden-Württemberg nur fünf Bewerberinnen gefunden haben. Wenn das Angebot nichts Besonderes ist, bleiben natürlich die Frauen auch weg. Aber vielleicht übt auch mangelndes Interesse einen Druck auf Veränderung aus. In Zukunft wäre es sinnvoll, Akkreditierungsmerkmale für Frauenstudiengänge festzulegen.

Die Frauenuniversität war ein Reformprojekt. Welche Erfahrungen lassen sich für die Hochschulen generell fruchtbar machen?

Es hat sich als überaus sinnvoll erwiesen, nicht fachorientiert, sondern projekt- und themenorientiert zu forschen - und das international. Mit international meine ich nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern auch den Austausch zwischen Nord und Süd. Die ifu hat gezeigt, dass unsere Theorien sich teilweise nicht mehr halten lassen, wenn man sie im gesellschaftlichen Vergleich sieht. Wenn hier darüber diskutiert wird, warum so wenig Ausländer an den deutschen Unis sind, geht es meist um rechtliche Hürden oder um Sprachschwierigkeiten. Dabei sind die inhaltlichen Konzepte mindestens ebenso entscheidend. Wir können nicht allen unsere Wissenschaft überstülpen.

Frau Neusel[die Frauenuni wird zur Zeit evaluiert]

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