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Gesundheit: Internationales Symposion zum Start des Berliner Reformstudiengangs Medizin

Nach zehnjähriger Vorbereitung startet nun endlich der Reformstudiengang Medizin an der Humboldt-Universität - dank einer Modellversuchsklausel in der alten Approbationsordnung. Es ist ein Versuch, an dem zwei Drittel der 200 an der Charité neu zugelassenen Studienanfänger gern teilgenommen hätten.

Nach zehnjähriger Vorbereitung startet nun endlich der Reformstudiengang Medizin an der Humboldt-Universität - dank einer Modellversuchsklausel in der alten Approbationsordnung. Es ist ein Versuch, an dem zwei Drittel der 200 an der Charité neu zugelassenen Studienanfänger gern teilgenommen hätten. Aber nur 63 wurden nach einem Losentscheid genommen.

Das Modell-Curriculum ist eine kontrollierte Studie. Für die ständige externe Evaluation konnte das Institut für Medizinische Statistik und Klinische Epidemiologie der Freien Universität gewonnen werden. Um die Qualität eines Studiengangs zu beurteilen und zu verbessern, werden im Ausland seit langem unterschiedliche Verfahren erprobt. Darüber wurde auf dem internationalen Symposion berichtet, das zur Eröffnung des Berliner Reformstudiengangs in der Charité stattfand.

Die wissenschaftliche Begleitung des Medizinstudiums ist in Großbritannien Aufgabe der "Departments of Medical Education" an den Reform-Universitäten. Das "Gewissen der Fakultät" nannte sie jetzt in Berlin George Engel vom Center for Education und lifelong Learning an der Medizinischen Fakultät der University of London. Er erinnerte an George Miller, der in Chicago das erste dieser medizinischen Ausbildungszentren gründete. Miller hatte erkannt, dass Erwachsene - anders als Kinder - am erfolgreichsten lernen, wenn ihnen der Stoff nicht der Reihe nach wie im Lehrbuch, sondern problembezogen vermittelt wird. Wie in der Forschung holt man sich aktiv alle Kenntnisse zusammen, die man zur Lösung des jeweiligen Problems braucht. Dieses problembezogene Lernen ist das wichtigste didaktische Merkmal innovativer Studiengänge.

Als inhaltliche Gemeinsamkeit nannte Engel vor allem den Bezug zur ganz normalen Medizin. Es gebe eine weltweite Bewegung hin zu einer realitätsnäheren Ausbildung der künftigen Ärzte in kleineren Krankenhäusern und Praxen. Denn Kompetenz für die medizinische Grundversorgung lässt sich nicht an den seltenen und komplizierten Fällen in der Universitätsklinik erwerben. Und Spezialkenntnisse zu vermitteln ist Aufgabe der Weiterbildung zum Facharzt nach der Approbation.

Neben dem Wissenserwerb gelten zwei weitere Ziele des Studiums als entscheidend: die Entwicklung praktischer Fertigkeiten und einer ärztlichen Einstellung. Aber wie lassen sich die Fortschritte der Studierenden auf diesen Gebieten objektiv feststellen? Wie Scott Obenshain von der University of New Mexico in Albuquerque berichtete, begann man in den USA schon 1970, die praktischen Fähigkeiten der Studierenden und ihren Umgang mit Kranken an Simulationspatienten zu prüfen. Zugleich wurde das Konzept des "OSCE" (Objective Structured Clinical Exam) entwickelt und in Kanada 1980 allgemein eingeführt. An der Humboldt-Universität wird danach in der Inneren Medizin ebenfalls schon geprüft. In vorgegebener Zeit sind beim OSCE eine Reihe praktischer Aufgaben zu lösen, etwa Untersuchung eines "Patienten", der bestimmte Symptome spielt, Beurteilung eines Laborbefunds, Interpretation eines wissenschaftlichen Aufsatzes, Beratung eines "Patienten" mit einer bestimmten "Krankheit".

Auch bei anderen Prüfungsformen geht es nicht, wie beim Multiple-Choice-Test, um das passive Wissen, sondern um verschiedene Seiten ärztlicher Kompetenz, wie diagnostische Fertigkeiten, kommunikative Fähigkeiten im Umgang mit Patienten, Kollegen und nicht-ärztlichen Mitarbeitern, um kritische Integration des erworbenen Wissens. Anspruchsvolle Anforderungen - aber Obenshain hob hervor, dass Studierende, die sie nicht erfüllen, nicht gleich durchfallen, sondern Defizite auf Teilgebieten ausgleichen können. Nicht nur die Lernenden werden kontinuierlich Prüfungen unterzogen, auch die Leistung der Lehrenden und des gesamten Studienganges wird fortlaufend geprüft ("evaluiert"). Das verbessert die Lehre spürbar, sagte Dick Mårtensen (Unit of Medical Education Development der Universität Stockholm).

Nach seiner Erfahrung nützt es wenig, nur zu ermitteln, ob die Studierenden mit bestimmten Lehrveranstaltungen zufrieden sind oder nicht; man muss vielmehr nach den Gründen forschen, um Mängel beheben zu können. In Stockholm fragt man die angehenden Ärzte zum Beispiel, ob sie meinen, die Prinzipien eines Lehrgegenstands verstanden zu haben, ob sie den Zusammenhang zu anderen Gegenständen erkennen, ob sie zur Reflexion angeregt wurden und ob sie glauben, sich später an das Gelernte erinnern zu können. Dies wird natürlich auch objektiv ermittelt.

Mårtensen warnte vor einem Übermaß an Evaluation der Lehre, weil dies leicht zu ermüdender Routine führt. Dies bestätigte gegenüber dem Tagesspiegel die Medizinstudentin Susanne Pruskil. Sie berichtete auf dem Symposion über eine Initiative von Charité-Studenten, die 1994 eine "Arbeitsgruppe Lehrevaluation" gründeten. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, möglichst viele Hochschullehrer für eine Verbesserung der Lehre zu motivieren, die ja meist gegenüber der Forschung zu kurz kommt. Wie sehr, das zeigte eine anonyme Befragung Lehrender. Die Frage: "Gibt es an Ihrem Institut ein Lehrkonzept, an dem Sie sich orientieren können?" wurde gar nicht verstanden. Manche Angehörigen desselben Instituts antworteten "Ja", andere "Nein", einige schrieben gar: "Dias".

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