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Gesundheit: Kunst-Konservierung: Weg mit dem Magerquark

Der Anblick halb zerstörter Fresken und Gemälde ist nicht nur für Restauratoren und Kunstliebhaber Herz zerreißend. Auch wer sich nicht mit Leib und Seele der Kunst verschrieben hat, möchte die abbröckelnden Farbschichten am liebsten aufheben und Stück für Stück dort wieder ankleben, wo sie einst Teil eines Gewandes oder Gesichts waren.

Der Anblick halb zerstörter Fresken und Gemälde ist nicht nur für Restauratoren und Kunstliebhaber Herz zerreißend. Auch wer sich nicht mit Leib und Seele der Kunst verschrieben hat, möchte die abbröckelnden Farbschichten am liebsten aufheben und Stück für Stück dort wieder ankleben, wo sie einst Teil eines Gewandes oder Gesichts waren. Doch gilt es nicht nur, Malereien wieder herzustellen. Vor allem die noch erhaltenen Teile müssen konserviert werden.

Einer speziellen Konservierungsmethode aus den 50er Jahren, versuchen sich Restauratoren heute allerdings wieder zu entledigen. Sie brachte mehr Schaden als Nutzen: Mit Kasein, einem Milcheiweiß, glaubte man zu Mitte des vergangenen Jahrhunderts Fresken auf ebenso einfache wie geniale Weise erhalten zu können. Italienische Restauratoren überzogen die Kunstwerke mit einer feinen Schicht aus speziell vorbehandeltem Magerquark. Dessen Hauptbestandteil ist Kasein. Trocknet dieses Eiweiß, legt es sich wie eine hauchdünne, durchsichtige Folie schützend über die Fresken.

Die Rettung der bis zu 600 Jahre alten Malereien schien perfekt. In Nordeuropa hatte man die Rechnung aber ohne das Wetter gemacht. Dort sind Fresken starken Temperaturschwankungen ausgesetzt. "Durch den Wechsel von Feuchtigkeit und UV-Strahlung quillt und trocknet der Kasein-Film immer wieder", erklärt Thomas Scheper vom Institut für Technische Chemie der Uni Hannover. "Schließlich platzt die Schicht auf und bröckelt handtellergroß von den Wänden."

Auch Bakterien und Pilze fühlen sich auf der Kaseinschicht wohl. Das Kunstwerk vergilbt regelrecht. Restauratoren kratzen daher heute das Kasein wieder von den Gemälden oder versuchen, es mit Lösungsmittel zu entfernen. Dabei sind sie oft gesundheitsschädlichen Dämpfen ausgesetzt.

Nach dreijähriger Forschungstätigkeit kommt ihnen jetzt die Biotechnologie zu Hilfe. In einem gemeinsamen Projekt haben Denkmalpfleger, Geomikrobiologen, Chemiker und Restauratoren ein biotechnologisches Verfahren entwickelt, mit dem sie dem ungeliebten Milcheiweiß auf natürliche Weise zu Leibe rücken. Unterstützt wurden die Wissenschaftler von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und der Wirtschaft.

Ihre Methode haben sich die Experten bei Waschmitteln abgeguckt. Dort lösen Enzyme, also natürliche Biokatalysatoren, eiweißhaltige Flecken behutsam aus der Kleidung. Gleiches geschieht jetzt am Kunstwerk: "Durch den Einsatz bestimmter Enzyme, die auch in herkömmlichen Waschmitteln verwendet werden, wird Kasein schonend in seine Bestandteile zerlegt", sagt Scheper. Diese können dann vorsichtig aus den Malereien gespült werden.

In der Praxis verwenden Forscher mit Wasser gefüllte Schwämme, die auf die Gemälde gedrückt werden. Auf der äußersten Schicht dieser Kunststoffkissen sind die Enzyme verankert. Sie spalten das Kasein nach einigen Minuten. Die Abbauprodukte des Milcheiweißes werden schließlich mit dem Schwamm aufgesogen. Die Farbe wird durch diese Methode nicht angegriffen. Denn die meisten heute noch erhaltenen Farben sind metallischer Natur und daher vor dem Verdau durch das Enzym gefeit.

Die Forscher haben ihr Verfahren nun der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Die Resonanz war groß. Sogar aus England sei jemand gekommen, berichtet Scheper. Schon jetzt weiß der Hannoveraner Wissenschaftler weitere Anwendungsmöglichkeiten der Enzym gespickten Schwämme. So könnte man etwa Skulpturen von Schmutzstoffen befreien, indem man sie in speziell vorbehandelte Tücher wickelt. Die Enzymkissen könnten auch Fettschichten von Kunstschätzen lösen. Man müsse nur die entsprechenden Biokatalysatoren verwenden.

Julia Thurau

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