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Gesundheit: Lernen nach Norm

Raus aus der Bildungsmisere: mit einheitlichen Standards und Tests

Die deutschen Schulen werden bis heute hauptsächlich durch umfangreiche Lehrpläne gesteuert. Auf vielen hundert Seiten ist den Lehrern teils detailliert vorgeschrieben, welchen Stoff sie bis wann zu unterrichten haben. Daran orientieren sie sich. Leider lässt sich nicht vorschreiben, was die Schüler davon tatsächlich erlernen. Die Schultests Pisa und Timss (Dritte internationale Studie Mathematik und Naturwissenschaften) haben dazu bekanntlich ernüchternd schlechte Ergebnisse gezeigt.

Das soll nun anders werden. Als einen wichtigen Beitrag für gute Schulen sehen Bund und Länder verbindliche Bildungsstandards an. Damit soll in den Kernbereichen, wie Mathematik, Fremdsprachen, Deutsch und Naturwissenschaften, künftig Klarheit geschaffen werden, was Kinder bis zu welchem Alter mindestens gelernt haben müssen. Klarheit bei Lehrern und Eltern, die sich daran orientieren können.

Eine Wissenschaftlergruppe um Eckhard Klieme vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) hat jetzt untersucht, was „national und international über Bildungsstandards bekannt ist“. Am Dienstag stellte Klieme das Gutachten zusammen mit Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) und der Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Karin Wolff (CDU), in Berlin vor.

Vom Ergebnis her planen

Neu an dem Ansatz ist, dass vom Ergebnis her gedacht und auch geplant wird. Bei den Wegen, auf denen sie diese Ziele erreichen, sollen die Schulen mehr Freiraum bekommen – jedenfalls wenn es nach den Wissenschaftlern geht. Output- statt Input-Steuerung heißt das in der Fachsprache. Die meisten Pisa-Siegerstaaten organisieren ihre Schulen nach dem Output-Prinzip.

Doch was kann man sich unter Bildungsstandards vorstellen? Oder ist es im Prinzip wieder die gute alte Lehrplansammlung, unter neuem Titel? Die Standards sollen so konkret gefasst sein, dass sie in konkrete Aufgaben umgesetzt und überprüft werden können, versprechen die Wissenschaftler. Aufgabenpools sollen entstehen. Die Aufgaben im Pisa-Test sind Beispiele dafür, wie das aussehen kann. Aufgaben, wie, „Nennen Sie drei deutsche Dichter“, gab es dort nicht. Stattdessen mussten die Schüler einen Text über Graffiti lesen und begründen, ob sie für oder gegen die bunten Bilder sind.

Zu diesem Konzept gehört es, die Ergebnisse regelmäßig zu testen. Klieme schlug vor, eine Nationale Agentur einzurichten, die die Standards und Tests entwickelt. „Bildungsstandards sind nur ein Beitrag zur Verbesserung der Schulen, doch ein wichtiger“, meinte der frühere Max-Planck-Forscher, wohl mit Blick auf Diskussionen über Konsequenzen aus Pisa, bei denen jede Verbesserung abgelehnt wird, weil sie allein die Bildungsmisere nicht behebt.

Doch warum sollen ausgerechnet Mindeststandards eingeführt werden? Haftet diesem Begriff doch der Makel vom kleinsten gemeinsamen Nenner für alle an. „Pisa hat gezeigt, dass die Hauptprobleme im unteren Leistungsbereich liegen“, erläuterte Klieme. So hat jeder vierte Jugendliche in Deutschland die Schule verlassen, ohne einigermaßen sicher auch nur mit einfachen Texten umgehen zu können. Das lässt sich nur mit mehr Förderung für die Schüler bessern, merkte Bulmahn an, die wie Wolff vor ihrer Karriere in der Politik Lehrerin war.

Doch bei Festlegung von Mindestanforderungen soll es nicht bleiben – meinen Bund und Länder. Um eine Nivellierung zu vermeiden, streben sie außerdem Regel- und Höchststandards an, um auch andere Niveaustufen zu vergleichen. Die Hoffnung, damit mehr Transparenz zu schaffen, steht bei den Verantwortlichen in dieser Diskussion ganz oben. War doch beispielsweise eines der ernüchternden Ergebnisse bei Pisa, dass die Lehrer nur von einem ganz geringen Teil ihrer leseschwachen Schüler wussten. Das können regelmäßig überprüfte Schulergebnisse verbessern. Die nötigen Änderungen im Unterricht werden sie dagegen nicht bewirken können. Die Wissenschaftler zeigten sich optimistisch: Sie empfahlen eine Einführung der Standards an den Schulen bis zum Jahr 2006. Und Klieme stellte auch gleich klar, was seine Standards nicht sein sollen: Sie rechtfertigten weder Zentralprüfungen noch Schul-Rankings.

Ob er mit diesen Vorstellungen bei den Schulministern der Union ankommen wird, blieb am Dienstag genauso offen, wie die Frage, ob Bund und Länder bei der Schulreform in Zukunft an einem Strang ziehen werden. Die Länder befürworten zwar ebenfalls Bildungsstandards. Doch hat der Bund die Expertise des DIPF in Auftrag gegeben. KMK-Präsidentin Wolff zeigte sich denn auch bei der Präsentation deutlich reserviert. Aus ihrer Sicht sollen diese Empfehlungen gleichberechtigt mit den Vorschlägen der KMK-Fachkommissionen diskutiert werden, die bereits arbeiten. Erste Entwürfe für die Fächer Deutsch und Mathematik an der Grundschule seien schon weit gediehen.

Union lehnt Bildungsagentur nicht ab

Wider Erwarten lehnte Wolff jedoch die vom Bund favorisierte Bildungsagentur nicht rund heraus ab, die bundesweit für vergleichbare Standards und Tests sorgen soll. „Der Staat hat die Garantiepflicht für vergleichbare Lernergebnisse im Bundesgebiet. Das ist bisher nicht eingelöst“, räumte die hessische Schulministerin ein.

Doch ein wichtiges Hindernis liegt auf jedem Fall noch vor der gewünschten Umsteuerung: Wenn die Länder nicht einen nennenswerten Teil ihrer Lehrpläne und der Fülle anderer Vorschriften für die Schulen zurücknehmen, werden die Bildungsstandards nur ein weiterer Stein in dem schon heute erdrückenden Berg von Vorschriften werden.

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