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Gesundheit: Licht am Anfang des Tunnels

Forscher behaupten, den Wirkungsgrad von Solarzellen deutlich steigern zu können

Stehen wir vor einem Quantensprung bei der Entwicklung von Solarzellen? Materialforscher vom Lawrence-Berkeley-Laboratorium in Kalifornien sind dieser Auffassung. Sie haben gemeinsam mit Kristallzüchtern der Cornell-Universität in New York und japanischen Werkstoff-Wissenschaftlern der Ritsumeikan-Universität entdeckt, dass es möglich wäre, die Elemente Indium, Gallium und Stickstoff so in einer Struktur anzuordnen, dass diese das gesamte Spektrum des Sonnenlichts in elektrischen Strom umwandelt.

Das wäre ein immenser Fortschritt. Denn die heute gebräuchlichen und einigermaßen preiswerten Solarzellen nutzen nur geringe Mengen der einfallenden Lichtteilchen (Photonen) dazu, einen Stromfluss auszulösen. So holen die aus einer Lage bestehenden Zellen auch unter besten Laborbedingungen nicht mehr als 25 Prozent Wirkungsgrad. Und in der Realität ist der Hausbesitzer froh, wenn die Anlage 15 Prozent erreicht.

So ein Zellen-Halbleiter besteht aus zwei unterschiedlichen Materialien. Das eine besitzt Elektronen, die vergleichsweise leicht verschiebbar sind, das andere nimmt gern welche auf. Führt man Energie in Gestalt von Licht hinzu, schubsen die Photonen die Elektronen über die Grenze hinweg.

Einlagige Zellen reagieren nur auf Licht oberhalb einer bestimmten Energie. Wird zum Beispiel nur das energiereichere blaue Licht umgesetzt, bleibt das rote für die Stromgewinnung ungenutzt. Es heizt dann nur die Konstruktion auf. Forscher versuchen daher allenthalben, dünne Mehrschichtzellen aufzubauen, damit möglichst viel Licht unterschiedlicher Wellenlänge genutzt wird. Solche Verfahren gibt es, sie bringen zwar 28 Prozent Wirkungsgrad, sind aber sehr teuer.

Einfache, preiswerte Wege sind gefragt. Die amerikanischen und japanischen Forscher kamen bei der Untersuchung von Stoffen, die für Leuchtdioden eingesetzt werden können, auf die entscheidende Idee. Denn dort findet ja – vereinfacht dargestellt – der umgekehrte Effekt statt: Elektronen einer Stromquelle passieren die Halbleiter der Diode, nach dem Sprung über die Grenzschicht dazwischen wird Energie in Form von Licht abgegeben. Dessen Wellenlänge entspricht eben dem Wert, den der Übergang, die „Bandlücke“, vorgibt.

Aber was geschieht, wenn man die Zusammensetzung der Kristallstruktur kontinuierlich ändert? Wenn man die Anteile im Gemenge aus Indium-Galliumnitrid in die eine oder andere Richtung schiebt? Im Labor geschah das Unerwartete: Die Bandlücken vergrößerten sich gleichmäßig, das Wellenspektrum des Sonnenlichts abdeckend.

Überraschend ist das für die Wissenschaft deshalb, weil man diesem Material keine Eignung für optoelektronische Aufgaben zutraute. Die Kristalle enthalten dafür zu viele Unregelmäßigkeiten, Defekte. Diese fangen im Normalfall Ladungsträger ein und setzen sie in Wärme um. Bei der Untersuchung der Leuchtdioden jedoch stellte sich heraus, dass das Indium gleichsam Inseln im Gemenge bildet, die Strom sehr effizient in Licht umwandeln, das dem Sonnenspektrum gleicht.

Das muss auch im umgekehrten Sinn funktionieren: vom Licht zum Strom, da sind sich die Forscher sicher. Eine Zweischichtzelle käme ihren Berechnungen zufolge schon auf eine elektrische Effektivität von 50 Prozent. Auf über 70 Prozent käme man theoretisch, wenn man viele solcher auf unterschiedliche Wellenlängen reagierenden Schichten aufeinander stapelte – zwar mit den notwendigen Grenzschichten dazwischen, aber in einem kontinuierlich gezüchteten Kristall.

Wie weit wandern die Elektronen?

Nur so weit sind die Forscher noch nicht vorangekommen. Viele Fragen müssten noch geklärt werden, etwa wie weit die Ladungsträger im Material wandern können, ohne absorbiert zu werden. Generell jedoch sagen sie Indium-Galliumnitrid eine große Zukunft voraus. Denn die Eigenschaften des Gemenges sind so gut, „als hätte die Natur sie bewusst an das Spektrum des Sonnenlichts angepasst“, sagt Wladek Walukiewicz, Forschungsleiter des Kalifornischen Laboratoriums. Die Kosten der Herstellung schätzt er – wenn alles richtig läuft – als sehr gering ein, den Nutzen für die Energiegewinnung hingegen als erheblich.

Am Berliner Hahn-Meitner-Institut (HMI), das sich ebenfalls intensiv mit der Entwicklung von Dünnschichttechniken für Solarzellen befasst, stieß die Arbeit der Amerikaner und Japaner auf Interesse. Zumal die Technik für das Kristallwachstum (die Molekularstrahlepitaxie) allenthalben ein gängiges Verfahren darstellt.

„Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus ist es interessant, dass man mit Indium-Galliumnitrid so niedrige Bandlücken erreicht“, sagt HMI-Forscher Roland Scheer. „Aber ob es funktioniert, weiß man erst, wenn man daraus die Zellen gefertigt hat.“ Der Aufbau solcher Multispektralzellen sei auch mit anderen Elementen möglich. So werde zum Beispiel an Vierschichtzellen geforscht, die statt des Stickstoffs das Element Antimon verwenden. „Es sind viele Pferde im Rennen, dessen Ausgang noch völlig offen ist“, sagt Scheer.

Gideon Heimann

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