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Gesundheit: Lieber befristet als billig - Das neue Tarifsystem für Professoren rettet die Universitäten nicht

Einen so entschlossenen Schulterschluss hat es zwischen den Professoren seit 1968 nicht mehr gegeben, als die heutigen Ordinarien noch auf der Straße demonstrierten und "Unter den Talaren, Muff aus tausend Jahren" skandierten. Die aktuelle Empörung der akademischen Würdenträger ist allerdings durchaus mit soliden kapitalistischen Grundwerten vereinbar: Sie richtet sich gegen die von Bundesbildungsministerin Bulmahn geplante Besoldungs- und Dienstrechtsreform, wonach künftig die altersabhängige Gehaltssteigerung entfallen und dafür ein Zuschlag nach Leistung vergeben werden soll.

Einen so entschlossenen Schulterschluss hat es zwischen den Professoren seit 1968 nicht mehr gegeben, als die heutigen Ordinarien noch auf der Straße demonstrierten und "Unter den Talaren, Muff aus tausend Jahren" skandierten. Die aktuelle Empörung der akademischen Würdenträger ist allerdings durchaus mit soliden kapitalistischen Grundwerten vereinbar: Sie richtet sich gegen die von Bundesbildungsministerin Bulmahn geplante Besoldungs- und Dienstrechtsreform, wonach künftig die altersabhängige Gehaltssteigerung entfallen und dafür ein Zuschlag nach Leistung vergeben werden soll. Da insgesamt nicht mehr Geld zur Verfügung steht, werden die meisten Hochschullehrer bis zu 30 Prozent weniger verdienen, also nahe an das Gehalt von Gymnasiallehrern herankommen.

Mit dem Ersparten können die Universitäten, so die Idee, dann ihre besten Professoren belohnen und Koryphäen aus den USA oder der Industrie abwerben. Zusätzlich soll das verkrustete System Konkurrenz von unten bekommen: Statt abhängiger Assistenten, die jahrelang für die Habilitation und das Ansehen des Institutsdirektors schuften, sollen künftig frisch promovierte "Junior-Professoren" frei forschen, lehren und in der Fakultät mitbestimmen dürfen.

Auf den ersten Blick sieht das aus wie eine sinnvolle Rosskur für die seit Jahren festgefahrenen deutschen Universitäten. Auch der Aufschrei des konservativen Deutschen Hochschulverbandes, der Münchener Universitäten und des bayerischen Wissenschaftsministers mag manchem als Indiz für die Wirksamkeit des von der wackeren SPD-Ministerin verschriebenen Heilmittels erscheinen. Tatsächlich ist die geplante Reform jedoch wirkungslos.

Die alle fünf bis sieben Jahre vorgesehene Leistungsbewertung der Professoren, Dreh- und Angelpunkt der Reform, überfordert die demokratische Selbstverwaltung der Universitäten. Natürlich gibt es Kriterien für "guten" Unterricht, auch wenn viele Professoren das nicht wahrhaben wollen. Auch für erfolgreiche Forschung gibt es halbwegs brauchbare Parameter. Nur wird kein demokratisch gewähltes Fakultätsgremium lange im Amt bleiben, wenn es zu Gunsten einiger weniger der Mehrheit seiner Wähler das Gehalt um ein Drittel kürzt. Und da fast jeder Professor in irgendeiner Kommission sitzt, bieten sich vielfältige Gelegenheiten für eine saftige Revanche. So wird es auch weiterhin das deutsche Phänomen der hoch angesehenen Lokal-Matadore geben, die in allen Gremien sitzen und riesige Institute haben - obwohl sie in der internationalen Forscherwelt praktisch unbekannt sind.

Auch das Ziel, Spitzenkräfte wieder an die deutschen Universitäten zu holen, dürfte nicht erreicht werden. Da die Gehälter auch mit maximal 2150 Mark monatlichem Zuschlag weit unter denen der freien Wirtschaft bleiben, ist der wichtigste Anreiz die Ausstattung mit Personal und Forschungsmöglichkeiten. Hier ist angesichts leerer Kassen vieler Länder jedoch keine Besserung in Sicht, die Schaffung von "Junior-Professuren" würde im Gegenteil die Ressourcen weiter verknappen.

Statt durch eine halbherzige Gehaltsreform Zwietracht innerhalb der Fakultäten zu schüren, ist es höchste Zeit für einen echten Leistungswettbewerb zwischen den Universitäten. Dazu gehört, dass auch Professoren grundsätzlich befristet eingestellt werden. Um internationale Spitzenforscher ausstatten und adäquat bezahlen zu können, müssen einzelne Schwerpunkte gefördert und andere Fachbereiche, notfalls auch ganze Universitäten, geschlossen werden. Das Produkt "Bildung" wird demnächst nicht mehr auf dem Campus, sondern durch eine Vielzahl konvergierender Wissens-Unternehmen angeboten. Einige Universitäten werden durch Partnerschaften mit der Industrie, Online-Providern und Medienkonzernen so attraktiv sein, dass sie problemlos Studiengebühren erheben und gleichzeitig Sponsoren-Stipendien für soziale Härtefälle vergeben können. In einem System offen konkurrierender Hochschulen ergibt sich die leistungsabhängige Bezahlung von selbst: nicht zwischen guten und schlechten Professoren einer Fakultät, sondern zwischen guten und schlechten Universitäten.Der Autor ist Direktor des Institutes für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Alexander S. Kekulé

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