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Gesundheit: Liebesgrüße von Einstein

Die Berliner Akademie feiert den Physiker

Als die Schauspielerin Angela Winkler und der Kirchenhistoriker Christoph Markschies kurz vor Mitternacht ihre Sessel vertraulich zusammenrückten und sich im immer noch vollen Leibniz-Saal der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften mit ansteckender Unbefangenheit die Kosenamen „Johannzel“ und „Doxerl“ zuwarfen, hatte der Abend seinen glücklichen Höhepunkt erreicht. Das ungewöhnliche Paar las den leidenschaftlichen Briefwechsel Albert Einsteins mit seiner ersten Frau Mileva: Er ihr „Johannzel“, sie sein „Doxerl“, „Schatzerl“ oder „Miezchen“, das er immer mal wieder nach Herzenslust „verbusseln und verdrücken“ möchte. Doch dann, inmitten knisternder Bekundungen, schwenkt der junge Einstein unvermittelt zur Theorie der Flüssigkeiten und Ludwig Boltzmanns Gasgesetzen über: Ein erstaunlicher Briefwechsel, der bezeugt, wie seine Liebe zu Mileva Maric und die zur Wissenschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts gemeinsam wachsen.

Die Akademie hatte für Sonnabend zum „Einstein-Salon“ geladen, zu einem unkonventionellen und offenen Abend, der viele Aspekte aus Einsteins Leben und Werk versammelte. Vom großen Leibniz-Saal, in dem der Briefwechsel Einsteins mit dem Physiker Max Born und mit Sigmund Freud gelesen wurden, konnte man sich in zwei kleine, geschlossene Kinos zurückziehen, um einen der vielen Dokumentarfilme über das schillernde Genie zu sehen. Nebenan machte ein kleines Fahrrad-Kabinett so manchen Besucher neugierig auf Einsteins Relativitätstheorie:

Wer mit annähernd Lichtgeschwindigkeit durch die Stadt radelt, für den ändert sich die Wahrnehmung. Das Licht, das von den Giebeln der Dächer in unser Auge fällt, legt eine längere Wegstrecke zurück als jene Lichtstrahlen, die uns vom Hauseingang erreichen. Im Alltag macht sich dieser Unterschied nicht bemerkbar, wohl aber bei der Fahrt auf dem lichtschnellen Rad: Die Giebel weichen zurück, die Häuser verbiegen sich. „So etwas können wir heute in Computer-Simulationen demonstrieren“, kommentierte der Physiker Hanns Ruder seine kleinen relativistischen Kabinettstückchen.

Auch in den Höhen der Wissenschaft im fünften Stockwerk des Akademie-Gebäudes gab es zu keiner Zeit freie Plätze: ob nun der Wissenschaftshistoriker Jürgen Renn Einsteins Kollegen in den Berliner Jahren 1914 bis 1933 aufs Korn nahm oder der Quantenphysiker Anton Zeilinger den Meister selbst. Denn kaum hatte Einstein 1905 seine Hypothese aufgestellt, dass Licht aus einzelnen Energiepaketen, den Quanten, besteht, äußerte er auch schon sein Unbehagen über die neue Rolle, die der Zufall in dieser Theorie einnahm – eine Haltung, die etwa in seinem Bonmot „Gott würfelt nicht!“ zum Ausdruck kommt.

Die moderne Physik hat ihm in dieser Hinsicht nicht Recht gegeben. Es gibt rein zufällige Ereignisse wie den „Quantensprung“ eines Elektrons von einem Energieniveau im Atom aufs nächste. Mehr noch: „Es ist verblüffend, dass gerade dieser Zufall, den Einstein nicht wollte, garantiert, dass die Quantenphysik mit seiner Relativitätstheorie übereinstimmt“, sagte Zeilinger. Nicht nur er hätte an diesem Abend viel darum gegeben zu wissen, was Einstein zu alledem gesagt hätte.

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