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PROF. TSOKOS ermittelt: Drinnen grillt sich’s schlecht

Von Michael Tsokos

Vor wenigen Tagen hatten fünf junge Männer zwischen 16 und 19 Jahren in einem Motelzimmer in Florida eine Geburtstagsparty gefeiert. Ihr Auto parkte direkt darunter. Der Motor des Wagens lief die ganze Nacht – die Jugendlichen befürchteten, dass er aufgrund eines Defekts am nächsten Morgen nicht wieder anspringen würde. Die Abgase drangen durch den Fußboden in den Raum. Alle fünf starben an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung.

Solche Fälle sind auch in der Berliner Rechtsmedizin nichts Ungewöhnliches. Jährlich haben wir es mit etwa 120 bis 150 Kohlenmonoxid-Vergiftungen zu tun. Häufig sind Wohnungsbrände oder defekte Gasherde die Ursache, manchmal auch Verbrennungsmotoren, die in geschlossenen Räumen laufen. Da Kohlenmonoxid farb- und geruchlos ist und beim Einatmen weder Atembeschwerden noch Hustenreiz verursacht, bemerkt man die Ausbreitung nicht. Das Gas bindet den roten Blutfarbstoff und blockiert die Sauerstoffaufnahme, so dass die inneren Organe nicht mehr ausreichend versorgt werden. Die Vergiftung verursacht Kopfschmerzen, Müdigkeit und Unwohlsein – völlig unspezifische Symptome, die Betroffene nicht einzuordnen wissen. Sie werden bewusstlos und sterben.

In den vergangenen zwei Jahren ist in Berlin die Zahl tödlicher Kohlenmonoxid-Vergiftungen gestiegen. Grund dafür ist ein neuer Trend: das Betreiben von Holzkohlegrills in geschlossenen Räumen. Zum Teil holen die Betroffenen den Grill am späten Abend vom Balkon in die Wohnung, um es sich – in Ermangelung eines Kamins – noch etwas „gemütlich“ zu machen. Von der tödlichen Gefahr, die von der glühenden oder nur glimmenden Holzkohle ausgeht, ahnen sie nichts. Und so kommt es zum Unfall. In Einzelfällen handelt es sich aber auch um Suizide: Die Opfer brennen ganz bewusst Kohle in geschlossenen Räumen ab, um eine tödliche Konzentration von Kohlenmonoxid zu erzeugen. In asiatischen Ländern ist das die zweithäufigste Suizidmethode nach Stürzen aus großer Höhe.

Suizide mit Kohlenmonoxid sind rechtsmedizinisch relativ leicht einzuordnen. Neben abgebrannten Holzkohleresten findet man am Tatort meist Abschiedsbriefe, mitunter sogar Warnhinweise für Unbeteiligte, die die Opfer zuvor an der Tür angebracht haben. Besteht jedoch der Verdacht, dass es sich um Unfälle durch defekte Heizlüfter oder nicht fachmännisch reparierte Gasthermen handelt, sind eine Obduktion und toxikologische Untersuchungen unumgänglich. Nur so kann verhindert werden, dass weitere Personen der Gefahr einer Vergiftung ausgesetzt werden.

Michael Tsokos

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