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Gesundheit: Psychotherapie: Wie man der Seele besser helfen kann

Dass Psychotherapie zu den wichtigen Leistungen unseres Gesundheitssystems gehören muss, ist unumstritten. Menschen in ihrer relativen Freiheit von den festgelegten Bahnen der Instinkte und Triebe haben wohl immer auch selbstschädigendes Fehlverhalten und destruktives Erleben gezeigt.

Dass Psychotherapie zu den wichtigen Leistungen unseres Gesundheitssystems gehören muss, ist unumstritten. Menschen in ihrer relativen Freiheit von den festgelegten Bahnen der Instinkte und Triebe haben wohl immer auch selbstschädigendes Fehlverhalten und destruktives Erleben gezeigt. In unserer Zeit ist es dazu noch eine sehr komplexe und unsichere Umwelt, die dafür sorgt, dass moderne Menschen sich mehr als früher unwohl in ihrer Haut fühlen und daher psychisch bedingte Symptome entwickeln.

Das neue Psychotherapiegesetz will Schützenhilfe leisten, indem es zwischen den guten und den schlechten Therapien als "wissenschaftlich" versus "unwissenschaftlich" unterscheidet - wobei die dabei angewandten Methoden der Prüfung allerdings oft schon hinterfragt worden sind. Dabei ist das Stichwort "Qualitätssicherung" äußerst wichtig, damit fragwürdige Therapeuten, die Tarotkarten legen und mittels Hyperventilation zur Rückkehr in ein früheres Leben auffordern, kontrolliert werden.

Im Augenblick gibt es drei erlaubte Therapieformen: die Psychoanalyse, die Tiefenpsychologie und die Verhaltenstherapie. Alle drei haben unbestreitbar ihre Verdienste und weisen gute Erfolgsquoten auf.

Tiefenpsychologie und Psychoanalyse sind nahe verwandt; sie beruhen beide auf den Konstrukten der psychoanalytischen Theorie. Ihr Ziel ist es, seelische Veränderungen zu erreichen, indem sich Patienten die Entwicklung des Fehlverhaltens in ihrer Biografie bewusst machen und mit Hilfe des Therapeuten neue Sichtweisen auf sich selbst und ihre Beziehungen entwickeln, was oft erstaunliche Neuorientierungen bewirkt. Was aber ist dann der Unterschied zwischen diesen beiden Verfahren?

Oberflächlich betrachtet sind es Dauer und Frequenz. Tiefenpsychologen arbeiten ein- bis zweimal pro Woche mit ihren Patienten; die von den Kassen dabei festgesetzte Stundenzahl überschreitet in der Regel nicht 50 bis 80 Stunden, das macht anderthalb bis zwei Jahre. Demgegenüber dauern Psychoanalysen (das sind diejenigen Therapien, die man herkömmlicherweise mit der "Couch" assoziiert) 240 bis 300 Stunden und werden meist dreimal (oft viermal) wöchentlich durchgeführt.

Der Gesetzgeber war weise, als er die Tiefenpsychologie als ein eigenes Verfahren installierte (bisher gab es das nur in Verbindung mit der Psychoanalyse), weil es erstens sehr viel mehr Beweise für seine Wirksamkeit gibt als bei der "großen" Analyse und weil zweitens diese Therapie, eigene, von der Psychoanalyse unterschiedene, Verfahren gebraucht, um wirksam zu werden, und weil drittens die meisten Menschen aus inneren und äußeren Gründen weder Zeit noch Geduld aufbringen, um sich jahrelang einer Psychoanalyse drei- bis viermal wöchentlich zu unterziehen.

Ist denn aber der Erfolg einer langjährigen (drei bis vier Jahre dauernden) Psychoanalyse nicht gründlicher und solider als der einer Tiefenpsychologie? wird man sich fragen. Darauf kann man nur antworten: es sieht nicht so aus! Die wenigen Studien, die es darüber gibt, zeigen uns, dass zwar für einen kleinen Teil von Leidenden die Psychoanalyse ein ungemein hilfreiches Verfahren ist, dass aber sehr viele Menschen davon nur beschränkt profitieren.

Das haben Psychoanalytiker auch schon seit langem gemerkt und haben daher immer vor Aufnahme der Therapie Probegespräche geführt, die darüber Auskunft geben sollen, ob ein Mensch eher die große Psychoanalyse oder eine Tiefenpsychologie machen sollte. Das Ergebnis war, allen Statistiken zufolge: dass ein nur geringer Prozentsatz von Patienten für die Psychoanalyse geeignet erscheint, sehr viele aber für die Tiefenpsychologie oder die Verhaltenstherapie.

Natürlich wünscht man sich daher, dass es möglichst viele gut ausgebildete Tiefenpsychologen (von den Verhaltenstherapeuten soll hier nicht die Rede sein!) gibt - aber: gerade daran hapert es! Es hat sich nämlich Studien zufolge gezeigt, dass gerade diejenigen Therapeuten, die sich auf die große Psychoanalyse spezialisiert haben, (und diese recht erfolgreich praktizieren!) dann, wenn sie versuchen, kürzere Therapien zu machen, nicht besonders gut abschneiden. Das heißt, so die Schlussfolgerungen der Forscher: die Tiefenpsychologie ist ein eigenes Verfahren, das man natürlich auch eigens lernen muss. Das ist wie beim Facharzt, der ja auch nicht alles kann.

Eine wirklich funktionierende Qualitätssicherung sollte im Bereich der psychoanalytisch orientierten Verfahren darauf achten, dass die Ausbildung dieser beiden Richtungen als getrennte Verfahren gewährleistet ist. Konservative psychoanalytische Ausbildungsinstitute tun dies häufig nur unzulänglich, weil sie vor allem die große Psychoanalyse als den "Königsweg" anstreben. In Berlin gibt es nur eine Ausbildungsstätte, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das Verfahren der Tiefenpsychologie zum ganz besonderen Schwerpunkt der Ausbildung auch für Psychologen zu machen, die Berliner Akademie für Psychotherapie. Wenngleich die Berliner Akademie für Psychotherapie gesetzlich anerkannt und durch die Kassen ihre Therapeuten auch bezahlt werden, gibt es doch noch immer gerade bei der Kassenärztlichen Vereinigung viele Vertreter, die sich mit den neuen Verhältnissen nur schwer anfreunden können.

Eine wirklich effiziente Qualitätssicherung muss in Zukunft - und dies ist noch nicht ganz ins Bewusstsein der Verantwortlichen gedrungen - darauf achten, dass, getreu dem Gesetz, nicht nur im Bereich der Verhaltenstherapie, sondern auch bei den psychoanalytischen Ausbildungen diejenigen Verfahren, die für unser Gesundheitssystem am wichtigsten sind, auch besonders intensiv gelehrt und - im Falle der Tiefenpsychologie - nicht nur als ein Anhängsel der Psychoanalyse gesehen werden.

Eva Jaeggi

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