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Gesundheit: „Radikal neues Denken“

Craig Venter: Mit Gentechnik gegen Klimaprobleme

Präsident Bush will seine Rede an die Nation am kommenden Dienstag der Abhängig von arabischem Öl und dem Klimaschutz widmen. Ein Politikwechsel?

Das ist ein indirektes Eingeständnis, dass der Klimawandel als Problem existiert, weshalb der Rest der Welt dem KyotoAbkommen folgt. Amerika darf da nicht verzögern, es müsste vorangehen und führen.

Überall ist jetzt die Rede von „Biofuels“: nachwachsenden Treibstoffen aus Pflanzen, die Benzin und Diesel ersetzen und bereits beim Anbau das Treibhausgas CO2 verbrauchen. Ist das die Lösung beider Probleme: Energiesicherheit ohne arabisches Öl und Klimaschutz?

Es gibt nicht eine Patentlösung. Wir verbrauchen heute solche Unmengen von Öl und Kohle, dass die Lösung nur in der Kombination von 100 verschiedenen Ansätzen liegen kann, von Wind- und Sonnenenergie bis zu Biofuels.

Kann der Anbau von Treibstoffen in der Dritten Welt die Konflikte zwischen dem armen Süden und dem reichen Norden verringern?

Diese Entwicklung kann die Geopolitik völlig verändern. Stellen wir uns nur mal vor, dass die unterentwickelten Agrarstaaten am Äquator zu den Hauptenergielieferanten der Zukunft werden. Das stellt die gewohnte Weltwirtschaft auf den Kopf.

Welche Rolle spielt dabei die Gentechnik, die viele in Europa mit Skepsis betrachten?

Genetisch veränderte Pflanzen sind unverzichtbar – schon allein, um die demnächst neun Milliarden Menschen auf der Erde zuverlässig zu ernähren. Wenn wir auf dem begrenzten Agrarland zusätzlich Energieträger anbauen wollen, brauchen wir die Gentechnik umso mehr.

Die Lösung eines Problems – Energiesicherheit – schafft gleichzeitig ein neues: die verstärkte Konkurrenz um Agrarland?

Eben deshalb brauchen wir höhere Erträge. Dann ist Platz für beides.

Wie hoch muss der Ölpreis steigen, damit solche alternativen Energien rentabel werden?

In Brasilien ist Ethanol aus Zuckerrohr bereits heute billiger als Benzin. Es ist eine politische Entscheidung, welche Energie wir bevorzugen und fördern. Ethanol ist kein idealer Treibstoff. Fermentation ist eine altbekannte Technik. Allein durch biologische Veränderung können wir den Zucker effektiver nutzen. Es lohnt sich schon beim aktuellen Ölpreis.

Wo unterscheiden sich die USA von Europa in der Energie- und Klimapolitik?

Ich bin kein Politikexperte und kann nur über meine persönlichen Beobachtungen reden. Die USA eröffnen den Menschen mehr ökonomische Chancen, fördern Unternehmergeist. Das Klima für Investitionen ist besser. In Europa ist es viel schwerer, aus einer neuen Technik ein Geschäft zu entwickeln. Es geht um die Frage, wie viel Vertrauen wir in die Zukunft, in ungewohnte Lösungen haben. Europäer vertrauen lieber auf das Altbekannte. Ich konzentriere mich auf die Erforschung dessen, was wir noch nicht wissen. Lösungen finden wir nur, wenn wir nach vorn blicken und nicht ständig zurück. Europa ist weit voran bei Biofuels aus Müll und Abfall. Wenn es jedoch darum geht, Erdöl und Kohle komplett zu ersetzen, haben wir alle noch einen weiten Weg vor uns. Niemand wird ihn alleine gehen können.

Gibt es noch Rettung, oder haben wir bei der Erderwärmung bereits den kritischen Punkt überschritten?

Das wissen wir nicht. Sicher ist, wir muten unserer Erde gefährliche Experimente zu. Aber ob wir bereits am „point of no return“ sind, kann nur die Zukunft zeigen. Wir können es uns jedenfalls nicht leisten, abzuwarten, dass irgendwoher die Rettung kommt. Wir selbst müssen etwas tun. Alle Modelle beweisen: Ein konservativer Ansatz, hier und dort etwas Energie und Emissionen einzusparen, wird nicht reichen. Wir brauchen radikal neues Denken.

Mit Craig Venter sprachen Christoph von Marschall und Markus Ziener.

Craig Venter (60), US-Genforscher, will mit „Designerpflanzen“ nachwachsende Treibstoffe gewinnen. Dafür gründete er

das Unternehmen „Synthetic Genomics“.

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