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Gesundheit: Rinderherz und Schweinezahn

Hartmut Wewetzer über Schamanen im Gesundheitsministerium Na also! Endlich wissen wir, was wirklich hilft.

Hartmut Wewetzer über Schamanen im Gesundheitsministerium

Na also! Endlich wissen wir, was wirklich hilft. Die Positivliste ist da. Sie enthält all jene Mittel, die nach Ansicht des Gesundheitsministeriums bei Krankheiten „notwendig und zweckmäßig“ sind und deshalb auf Krankenkarte erstattet werden sollen. Jetzt bekommen also alle Patienten nur noch das Richtige – und dazu sparen die Krankenkassen noch ein paar Milliarden Euro.

Aber halt. Was lesen wir da? Colon suis, Schweinedarm. Sodann: Cutis suis, also Schweinehaut. Und gar: Vagina bovis, das Genitale des weiblichen Rindes. Jetzt schauen wir noch genauer hin: Blutegelextrakt, Brechwurz, die Haut von Rinderfeten, Feuersalamander, Kröte, Stierpenis, Tränendrüsen der Kuh, Asche, Pech und Schwefel! Ist das Gesundheitsministerium eine Hexenküche?

Nun gut, wir sind vom Wege abgewichen. Nicht im Hauptteil, sondern in den drei Anhängen der Positivliste finden sich die genannten Naturprodukte. Hier sind all jene Präparate aufgeführt, die unter dem Etikett „Besondere Therapierichtungen“ laufen. Also Pflanzenmedizin (Phytotherapie), anthroposophische Medizin und Homöopathie. Und spätestens hier können wir auch schon wieder etwas beruhigen. Die genannten Ingredienzien werden meist stark verdünnt („potenziert“), ehe sie in Form von Tröpfchen oder Kügelchen eingenommen werden. Manchmal sind sie dann so stark potenziert, dass sie kein einziges Wirkstoffmolekül mehr enthalten. Ergebnis: Sie sind nicht nur kostengünstig, sondern auch unschädlich. Und viele Leute schwören drauf.

Beliebt, preiswert, harmlos – gut und schön. Aber das war bei der Positivliste nicht der Maßstab. Es ging darum, „notwendige und zweckmäßige“ Präparate aufzuführen. Dieser Nachweis dürfte bei Waldameisenbrösel und Knollenblätterpilz eher schwierig zu führen sein. Die Positivliste macht Ausnahmen, beschreitet eine Art deutschen Sonderweg in der Medizin.

Scheitern aber wird die Liste wohl ohnehin. Ein früherer Gesundheitsminister hat einmal eine Positivliste zerschnetzeln lassen und sie dann Vertretern der pharmazeutischen Industrie überreicht. Dieser Politiker ist jetzt in der Opposition. Nicht zu vergessen die betroffenen Arzneihersteller selbst, mit deren Klagen zu rechnen ist. Bevor wir jetzt ein paar Tränen vergießen, genehmigen wir uns doch lieber eine Prise Glandula lacrimalis. Vom Rind. In Hochpotenz.

Mehr im Internet unter:

www.medizin.uni-koeln.de/kliniken/innere3/

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