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Gesundheit: Sabine Nolden zog ihre Bewerbung unter Protest zurück

Eine Nafög-Bewerbung an der Hochschule der Künste sieht aus wie eine Kunstausstellung. In der zugigen Eingangshalle des Gebäudes in der Hardenbergstraße hämmern und zimmern noch einige Bewerber an ihren Exponaten, rücken hin und her bis alles an seinem Platz ist.

Eine Nafög-Bewerbung an der Hochschule der Künste sieht aus wie eine Kunstausstellung. In der zugigen Eingangshalle des Gebäudes in der Hardenbergstraße hämmern und zimmern noch einige Bewerber an ihren Exponaten, rücken hin und her bis alles an seinem Platz ist. Gleich wird eine sechsköpfige Professorenkommission durch die Räume gehen, betrachten, fragen, beurteilen und auswählen. Aufgeregt sind hier alle, es geht um mehr als 30 000 Mark pro Kopf, die finanzielle Sicherung für die nächsten zwei Jahre. 45 Bewerber und Bewerberinnen konkurrieren um sechs Stipendien. Man weiß nicht recht, aus welcher Ecke die Gutachter kommen werden, doch Sabine Nolden hat Glück, sie ist die zweite in der Reihe. Vor ihr auf dem Tisch liegen Kataloge mit Bildern ihrer Arbeiten. Nolden mag es, wenn ihre Kunstwerke mit der Zeit eine gleichmäßige Schimmelschicht ansetzen. Liebesäpfel, in die Pin-ups eingegossen sind, Brüste aus grüner Gelatine, "ich arbeite gerne mit Lebendigem", sagt sie.

Heute, bei ihrer zweiten Bewerbung um ein Nafög-Stipendium, wird Nolden ein "installatorisches Bühnenstück für 333 aufblasbare Darstellerinnen" zeigen. Unterstützt von einer befreundeten Schauspielerin liest sie den Text "airborne", der ihr Bühnenstück beschreibt. Die Kommission steht im Halbkreis. Freundlich und unbeteiligt hört man zu, Hände vorm Bauch gefaltet oder auf dem Rücken, Blick zu Boden. In der Einganghalle der HdK ist es laut, eine Video-Installation im Hintergrund rauscht und rattert.

Nolden beendet ihre Lesung, macht eine Pause und fügt einen zweiten Text an: "Sehr geehrte Kommissionsmitglieder, es kommt auf Sie in diesen Tagen die schwere Aufgabe zu, an zwei Vormittagen das mehrjährige künstlerische Schaffen der Kandidaten gerecht zu beurteilen. Da ist es nur verständlich, dass die bisherigen Kommissionsmitglieder, die immer wieder ihre eigenen ehemaligen Studenten zu beurteilen hatten, diesen folglich auch am nächsten standen."

Eine Bombe? Keine Bombe. Die Kommissionsmitglieder rühren sich nicht, als hätte der Text, den Nolden liest, sich nicht wesentlich geändert. "Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, an der Diskussion um die Vergabepraxis öffentlicher Gelder beteiligt zu werden. Es kann keine Lösung sein wenn, wie in den letzten Jahren, die Mehrzahl der nominierten Stipendiaten aus den jeweiligen Fachklassen der Kommissionsmitglieder kamen." Professor H., links außen, beginnt zu lächeln, wissend, besserwissend. Professorin M. greift nach einem der Kataloge, vornedrauf ein Frauenkörper, von Kopf bis Nabel Fisch und unten nackt. "Warum werden nicht Juroren von auswärts eingeladen, die besser geeignet wären, die künstlerischen Arbeiten der Bewerber unvoreingenommen zu beurteilen?", fragt Nolden, und während sie mit sanfter Stimme weiterhin benennt, was hier anscheinend alle wissen, dass es nämlich bei der Nafög-Stipendienvergabe an der HdK nicht rechten und schon gar nicht mit gerechten Dingen zugeht, guckt die Kommission ins Leere. Zu Empörung lässt man sich nicht hinreißen. Man ist ein wenig betreten. "Können sie das nicht abkürzen?", fragt H., denn Nolden macht die Sache umständlich, "wir müssen im zeitlichen Rahmen bleiben."

Da kommt auch schon das Ende: "Um meiner öffentlichen, kritischen Stellungnahme Nachdruck zu verleihen, erkläre ich hiermit, dass ich meine Bewerbung um das NaFöG-Stipendium 1999 offiziell zurückziehe." Das ist dann doch ein starkes Stück. Die Kommilitonen, die zugehört haben, klatschen. "Wollen Sie sich das nicht doch noch mal überlegen?", fragt wieder H., "es könnte doch sein, dass es in diesem Jahr ganz anders ist. Sie nehmen sich die Chance, dass wir ihre Arbeit besprechen." Aber Sabine Nolden will nicht. "Es ist auch konsequenter so", flüstert Professorin M.

Ein bisschen aufgewühlt ist man jetzt schon. Immerhin ist diese Kommission, neu eingesetzt, noch schuldlos. "Wir müssen das ein anderes Mal öffentlich diskutieren", heißt es, und: "Wir warten jetzt mal ab, was heute passiert." Damit ziehen die Professoren weiter, zum nächsten Kandidaten. Sabine Nolden ist erleichtert, zufrieden. "Es ist ein offenes Geheimnis, dass es hier wie an der Börse zugeht, und dass es zwei Klassen von Bewerbern gibt: die die Chancen haben, und die die keine haben. Nun ist mir, als ob der ganze HdK-Druck von mir abfliegt."

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