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Gesundheit: Shell-Vorstandsmitglied Fritz Vahrenholt über die Photovoltaik und wie ein internationaler Konzern damit Gewinne machen kann

Fritz Vahrenholt (50) ist Mitglied der SPD und war bis 1997 Umweltsenator in Hamburg. Seit anderthalb Jahren gehört er dem Vorstand der Deutschen Shell AG in Hamburg an und ist zuständig für das Chemiegeschäft und erneuerbare Energien.

Fritz Vahrenholt (50) ist Mitglied der SPD und war bis 1997 Umweltsenator in Hamburg. Seit anderthalb Jahren gehört er dem Vorstand der Deutschen Shell AG in Hamburg an und ist zuständig für das Chemiegeschäft und erneuerbare Energien.

Der Shell-Konzern verdient sein Geld mit Erdöl, Erdgas, Mineralölprodukten oder Chemie, betätigt sich also in einem nicht gerade umweltfreundlichen Geschäftsfeld. Dennoch oder gerade deswegen hat die Firma einen fünften Geschäftsbereich für erneuerbare Energien gegründet und investiert in Sonnen- und Windenergie, Biomasse und Aufforstung. Anfang des Jahres ist noch eine Gesellschaft für Wasserstoff hinzugekommen. Die Deutsche Shell AG baut in Gelsenkirchen zusammen mit der in Köln ansässigen Firma Pilkington Solar International GmbH eine der größten Photovoltaik-Fabriken der Welt. Im Herbst soll die Produktion starten.

Mit Fritz Vahrenholt sprach Carola Hanisch.

Weshalb engagiert sich Shell eigentlich für erneuerbare Energien? Geld verdienen kann man damit doch derzeit nicht. Handelt es sich um eine reine Imagekampagne?

Wir glauben, dass die Energiepolitik des nächsten Jahrhunderts maßgeblich von den Klimaschutzanforderungen getrieben wird. Davon sind wir überzeugt. Andere Gesellschaften sehen das anders, aber wir glauben, dass das Unternehmen, das sich rechtzeitig um das Thema CO2-Vermeidung kümmert, einen Wettbewerbsvorteil hat. Also das ist nicht irgendeine schöne Öffentlichkeitsarbeitsgeschichte, sondern wir glauben, dass wir damit Geld verdienen können - mit Umweltschutz Gewinne machen zu können, das hat Zukunft.

Aber Photovoltaik ist doch eher ein klassisches Beispiel für eine schöne Technologie, die noch längst nicht konkurrenzfähig ist. In Deutschland kostet es etwa 1,50 DM, eine Kilowattstunde Solarstrom zu erzeugen. Mit konventionellen Kraftwerken kann man dieselbe Energiemenge für weniger als zehn Pfennig herstellen. Wie will Shell also mit so einer teuren Technologie Geld verdienen?

Man vergisst immer, dass es heute schon Anwendungen gibt, in denen die Photovoltaik sehr wohl konkurrenzfähig ist. Das sind die Inselsysteme, also die Versorgung ländlicher Gebiete, in denen es kein Stromnetz gibt. Zweieinhalb Milliarden Menschen auf der Erde sind nicht ans Netz angeschlossen - das ist ein riesiger Markt. Wenn Sie heute den Menschen Strom liefern wollen, tun Sie das über ein Dieselaggregat. Oder Sie müssen Stromleitungen da hinlegen - das ist beides teuer. Da ist Photovoltaik durchaus eine Alternative.

Aber diese Menschen können es sich doch gar nicht leisten, eine teure Solar-Anlage zu installieren!

Sie haben Recht, man kann von einem Schafhirten in der Inneren Mongolei nicht erwarten, dass er 1000 DM oder 2000 DM in eine Solaranlage investiert. Deswegen haben wir eine Art Leasing-System entwickelt. Wir finanzieren das vor und bauen die Solaranlage da hin. Der Kunde aber zahlt jeden Monat für die Benutzung, indem er eine Chipkarte reinsteckt. Die kostet 14 Mark für 30 Tage. Dann muss sie wieder aufgeladen werden, zum Beispiel bei der Shell-Tankstelle oder im Gemeindezentrum. Und so bekommen wir die Investitionskosten zurück.

Und damit machen Sie noch Gewinn?

Richtig. Sonst würden wir es nicht machen. In Südafrika hat Shell International Renewables Ltd. ein Joint Venture mit Eskom, dem größten Energieunternehmen des Landes, gegründet. Dieses Joint Venture bringt derzeit Solarstrom zu 50 000 Haushalten. In China planen wir dasselbe für 100 000 Haushalte. Die Fabrik in Gelsenkirchen wird mehr oder weniger für den Export kommen: 50 bis 60 Prozent der Solarzellen werden exportiert werden.

Klappt das System mit der Chipkarte eigentlich? Ist das nicht viel zu kompliziert?

Nein, das funktioniert sehr gut. Das kann man gut an einem anderen Beispiel sehen, wo wir noch nicht diesen neuen Leasing-Ansatz hatten. In Indonesien hat Shell vom holländischen und indonesischen Staat bezahlte Photovoltaik-Anlagen zur Verfügung gestellt. Das ist also eher eine Art Entwicklungshilfe. Was dazu führt, dass die meisten Anlagen nach fünf Jahren kaputt sind. Was geschenkt ist, ist nichts wert.

Wenn Sie einen Großteil für die ausländischen Märkte produzieren, warum gehen Sie dann nicht gleich ins Ausland?

Die Photovoltaik muss hier in Deutschland entwickelt werden, weil Deutschland insbesondere eine unglaublich gute Forschungslandschaft hat. Wir haben wirklich gute Forschungsinstitute. Die Fraunhofer-Institute Freiburg, Kassel, das ZSW in Stuttgart, das Hahn-Meitner-Institut, das sind wirklich exzellente Wissenschaftler und gute Techniker. Aber zu glauben, dass wir mit 100 000 Dächern irgendwas an der Energiesituation in Deutschland verändern können oder sogar den Ausstieg aus der Kernenergie schaffen - das ist natürlich dummes Zeug.

In Gelsenkirchen sollen jährlich 13 Millionen Solarzellen hergestellt werden, die Produktionskosten sollen 30 Prozent niedriger sein als bisher. Wodurch? Allein durch den größeren Maßstab?

Zelle und Modul werden ja heute größtenteils noch von Hand hergestellt. Da sitzen viele fleißige Hände, die das löten. Bis jetzt waren Zellfabrikationen in der Größenordnung von drei bis zehn Megawatt, wir sind in Gelsenkirchen bei 25 Megawatt. Da können Sie sich von der Investitionsseite alles leisten, was die modernste Fertigungstechnik bietet. Da werden die Zellen halt nicht mehr von Hand montiert, sondern das macht ein Roboter. Was bei der Automobilindustrie seit 20 Jahren passiert, Roboterisierung, Automatisierung, Fertigungskontrolle, ist in der Solartechnik bis jetzt nicht angewandt worden. Auch der Bruch wird weniger, wenn Sie alles optimiert haben - das heißt Sie können die Scheiben dünner machen. Wir sind natürlich stolz, dass wir den Zellenherstellungsprozess ein Drittel billiger machen können, aber leider ist das nur die halbe Wahrheit.

Wieso?

Sie müssen sich die ganze Produktionskette vor Augen führen, und da ist die Solarzellenherstellung nicht der größte Kostenfaktor. Zunächst einmal müssen sie diese dünnen rohen Siliziumplatten, die sogenannten Wafer, machen. Das ist am teuersten. Dann machen Sie daraus die Siliziumzelle, unter anderem durch das Einbringen von Fremdatomen, dem sogenannten Dotieren. Und zuletzt schalten Sie die Zellen zu Modulen zusammen, also da kommt ein Rahmen drumherum, Verkabelung und Gleichrichter dran. Wenn man die Gesamtkosten aufteilen will, entfallen etwa 50 Prozent auf die Herstellung der Wafer, 30 Prozent auf die Solarzellen und 20 Prozent auf die Module. Wir haben es zwar geschafft, die Zellenproduktion zu verbilligen, aber so viel hilft uns das nicht, weil wir immer noch die hohen Waferkosten haben. Ich schätze, in Gelsenkirchen werden wir die Kosten von 1,50 DM pro Kilowattstunde auf 1,30 DM senken können.

Was also muss Ihrer Ansicht nach geschehen?

Der entscheidende Punkt ist, die Waferkosten zu senken. Da ist noch viel drin. Der Wafer ist heute 300 Mikrometer dick - wenn Sie es schaffen 30 Mikrometer dünne Siliziumschichten zu produzieren, dann haben Sie ein Zehntel der Kosten, weil Sie das Silizium ja unter enormem Energieaufwand aus Quarzsand herstellen müssen.

Daran krankt ja die Photovoltaik immer noch, dass man viel Energie einsetzen muss, um die Solarzellen herzustellen.

Ja. Die Rückgewinnungszeit für den eingesetzten Strom liegt bei knapp unter drei Jahren. Wenn eine Solaranlage kürzer läuft, haben Sie eine negative Ökobilanz: Sie haben Kernenergie reingesteckt oder Kohle und nichts wiedergeholt. Erst nach dem dritten Jahr fängt die Anlage an, der Umwelt richtig zu nutzen. Wenn wir die Siliziumscheiben dünner machen, sinkt der Energieaufwand und damit die Rückgewinnungszeit. Wir müssen dringend auf weit unter ein Jahr kommen, und das werden wir auch. Da bin ich ganz sicher. Das geht nicht von heute auf morgen.

Könnte man nicht schon längst so weit sein, wenn man das Geld, das in den siebziger Jahren für die Kernenergie ausgegeben wurde, in die Photovoltaik gesteckt hätte?

Das Argument hört man immer wieder. Da muss man sagen, die Fertigungstechniken, die wir heute haben für die Solarenergie, waren in den siebziger Jahren nicht da. Es ist immer so: Wenn Sie eine neue Technologie entwickeln - Sie brauchen auch in anderen völlig fremden Gebieten eine ebenso starke Technolgieentwicklung, von der Sie profitieren können. Eine Technologie schafft manchmal erst den Durchbruch, weil eine völlig entfernte Materialwissenschaft auf einmal den Schlüssel liefert, um das Tor öffnen zu können.

Zum Schluss noch ein Ausblick auf die Kosten- und Marktentwicklung, bitte.

Wir rechnen mit 15 bis 20 Prozent Marktwachstum jährlich und sechs Prozent Kostensenkung pro Jahr, so dass wir in zehn Jahren tatsächlich fast eine Halbierung der Kosten haben. Shell wird in den nächsten drei Jahren einen Anteil von zehn Prozent am Weltmarkt für Solarenergie erreichen.

Weshalb engagiert sich Shell eigentlich für e

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