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Gesundheit: „Viele gehen mit falschen Voraussetzungen in ein Studium“

Studentenauswahl: Der Vizepräsident der TU Berlin will Anfänger erst nach einem Jahr prüfen

Herr Steinbach, bislang dürfen sich die Unis 24 Prozent ihrer Studenten in NCFächern selbst aussuchen. Bund und Länder haben sich jetzt darauf geeinigt, dass es ab 2005 insgesamt 60 Prozent sein sollen. Was bedeutet das für die Bewerber?

Das Zulassungsverfahren wird gerechter, wenn wir nicht mehr nur nach der Abiturnote gehen. Es ist richtig, dass das Abitur in Deutschland einen Qualitätsstandard sicherstellt, aber wir wissen auch: Noten sagen nicht alles über den Bewerber aus. Ein Einser-Abiturient ist nicht automatisch ein exzellenter Student.

Bislang hat die TU keine Eingangstests und Auswahlgespräche gemacht. Wird sich das ändern?

Wir diskutieren das mit den Fakultäten, die Resonanz ist unterschiedlich. Die Weiterbildungsstudiengänge haben schon damit angefangen und gute Erfahrungen gemacht. Die Architekten und die Biotechnologen wollen ein Pilotverfahren zur Studentenauswahl zu entwickeln. In den Naturwissenschaften schrecken viele vor dem Aufwand zurück, der bei hohen Bewerberzahlen zu leisten ist.

Wie könnten die Tests aussehen?

Ich bin dagegen, ausschließlich vor Studienbeginn zu filtern. Bei schriftlichen Tests könnte die Prüfungsangst das Ergebnis verzerren, im persönlichen Auswahlgespräch mit dem Professor hätten Selbstdarstellungskünstler die besten Chancen. Deshalb bin ich dafür, möglichst viele Abiturienten zum ersten Studienjahr zuzulassen und nach einem Jahr ein Auswahlverfahren zu machen. Oft gehen Studenten mit völlig falschen Voraussetzungen in ein Studium, nach einem Jahr wissen sie das. Ein Jahr zu verlieren ist eher zumutbar, als die hohen Abbrecherquoten von bis zu 50 Prozent.

Wie sieht der ideale TU-Student aus: ein begeisterter Technik-Bastler, der ruhig ein paar mittelmäßige Noten haben darf?

Nicht nur die werden gute Ingenieure, die schon als Kinder ein Motorrad auseinander genommen haben. Viel wichtiger sind solide Grundlagen in Mathematik und Physik. Da reicht bei Leistungskurs-Absolventen auch eine Zwei oder Drei. Die Lehrpläne sind derart überfrachtet, dass in Leistungskursen oft Inhalte vermittelt werden, die früher im dritten Semester an der Uni vorkamen. Die Relativitätstheorie und die Heisenberg’sche Unschärferelation lernen die Schüler heute im Physikunterricht, aber die Hebelgesetze in der Mechanik fehlen.

Sollte man nicht doch schon Studienbewerber prüfen, um die Schulen unter heilsamen Druck zu setzen?

Wir setzen eher auf Zusammenarbeit mit den Gymnasien, um den Schülern den Übergang auf die Uni zu erleichtern. Wichtiger als instrumentelle Analyseverfahren zu erlernen ist es, etwa im Chemiekurs in eigenen Experimenten mit den Stoffen zu arbeiten, die einem später im Studium wiederbegegnen. Einige Leistungskurse in Mathematik, die mit uns abgestimmt sind, werden schon jetzt als Scheine im Grundstudium anerkannt.

Die Fragen stellte Amory Burchard.

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